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28 TITELTHEMA Coopetition – lieber gemeinsam als gar nicht Was früher undenkbar war, ist heute immer öfter zu finden: Bittere Gegner verbünden sich und machen gemeinsame Sache. So wie der Autohersteller Volkswagen, der mit Ford zusammenarbeitet – oder die Smartphone-Hersteller Apple und Samsung. Dabei handelt es sich nicht um Fusionen, das Zauberwort lautet Coopetition. Der Begriff – eine Kombination aus Zusammenarbeit (cooperation) und Wettbewerb (competition) – geht zurück auf das gleichnamige Buch der beiden Ökonomen Barry Nalebuff und Adam Brandenburger aus dem Jahr 1996. In den vergangenen Jahren hat der Begriff eine neue Relevanz bekommen – und findet sich auch immer häufiger in der Personaldienstleistung. 10 Uhr am Dienstagmorgen: Matthias Eder telefoniert aus seinem Büro in Wiesbaden. Der Niederlassungsleiter der attentus Gesellschaft für Personaldienstleistungen sucht Mitarbeiter, die er einem großen Logistikunternehmen anbieten kann. Am anderen Ende der Leitung: Co-Lieferant Impact, ein anderer Personaldienstleister und ebenfalls iGZ-Mitglied. „Wir sind der Master-Vendor und arbeiten für dieses Projekt mit fünf Co-Partnern zusammen“, erklärt Eder. Beim Master-Vendor-Konzept fungiert ein Personaldienstleister als zentraler Ansprechpartner für ein Kundenunternehmen und übernimmt die vollständige Koordination und Steuerung des Zeitarbeitspersonals, die Mitarbeiter kommen vom Master- Vendor und seinen Co-Partnern. „Der Bewerbermarkt im Rhein-Main-Gebiet ist schwierig – es gibt kaum Arbeitssuchende.“ Ein Problem, das nicht nur iGZ-Regionalkreisleiter Eder kennt. attentus überlässt in erster Linie Helfer aus den Entgeltgruppen 1 und 2 a+b, manchmal geht’s auch bis Entgeltgruppe 4 oder 5 rauf. „Viele Unternehmen haben verstanden, dass sie den Prozess der Personalbeschaffung komplett outsourcen können und der Personaldienstleister sich um alles kümmert.“ Die Kundenwünsche zu erfüllen, wird von Tag zu Tag schwieriger. „Wir haben bisher fast ausschließlich gute Erfahrungen mit Coopetition gemacht – als Co-Lieferant und als Master-Vendor“, berichtet Andreas Wittmann, der als Interimsmanager für die Projektgeschäfte von Impact verantwortlich ist. Das iGZ-Mitglied unterhält 26 Niederlassungen mit insgesamt rund 4.000 externen Mitarbeitern. „Seit mehr als zehn Jahren machen wir bundesweit solche Kooperationen, aber sie haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.“

Z direkt! 03/2022 TITELTHEMA 29 In Ländern wie den USA oder Japan sind Coopetition bereits viel öfter zu finden als in Deutschland. Die Vernunft wird letztlich siegen, sind sich Barry Nalebuff und Adam Brandenburger sicher und schreiben in ihrem Buch: „Es geht dabei darum, Wege zur Vergrößerung des Kuchens zu finden, statt nur mit Konkurrenten um einen Kuchen hingenommener Größe zu streiten.“ Die Vorteile liegen für Manager Wittmann auf der Hand: „Durch die Zusammenarbeit mit der Konkurrenz habe ich letztendlich mehr Einsatzmöglichkeiten für unsere Mitarbeiter, kann meinen Kundenstamm erweitern und dadurch mehr Umsatz kreieren.“ – „Und aus einer Zusammenarbeit ergibt sich oft die nächste – der Ball wird meist zurückgespielt und es kommt zu Folgeprojekten“, ergänzt Matthias Eder. Meist bleibt man dabei in dem Segment, das man eh bedient und in dem man seine Stärken hat. Manchmal ergeben Das „Sich-Beschnuppern“ brauche auch mehr als einen Kaffee. „Unsere Erfahrungen mit Coopetition sind bisher nahezu durchweg positiv. Wir machen das auch schon seit mehr als zehn Jahren – auch wenn wir es damals nicht Coopetition genannt haben. Mit ein paar Unternehmen hat es nicht gut funktioniert. Da haben aber beide Seiten schnell gemerkt, dass es nicht passte.“ – „Eine Partnerschaft ist nicht nur, wenn der Partner schafft – es muss zusammen partnerschaftlich funktionieren“, unterstreicht Wittmann. Bei jeder Coopetition, bei der Impact als Master-Vendor fungiert, gibt es zunächst ein Onboarding. „Quasi ein Schnuppertag, an dem wir alle gemeinsam die Details besprechen – vom Vertrag über die Kommunikation bis hin zu den Rahmenbedingungen im Kundenunternehmen, wie Kleidung, Infektionsschutzbelehrung und Gesundheitsuntersuchung. Und beim »Es geht dabei darum, Wege zur Vergrößerung des Kuchens zu finden, statt nur mit Konkurrenten um einen Kuchen hingenommener Größe zu streiten.« sich aber auch Möglichkeiten in anderen, neuen Bereichen. „Wir haben in Wiesbaden nun einen Kunden aus der Elektronik, vorher waren wir sehr stark auf die Chemie fokussiert“, erzählt Wittmann. Ein weiterer Vorteil sei die Attraktivität für den Mitarbeiter: „In Mannheim gibt es sehr große Konzerne, wenn man da irgendwo landen will, dann bin ich als Co-Lieferant natürlich interessanter, wenn ich Mitarbeitern Positionen bei solchen Unternehmen bieten kann, die ab dem ersten Tag Equal Pay zahlen.“ Der Nachteil des Master-Vendor-Modells: die Master-Fee. Die Aufwendungen des Masters werden den Co-Partnern in Form einer Provision – meist zwei Prozent – von deren Umsatz in Rechnung gestellt. „Und man muss natürlich bereit sein, transparent zu arbeiten und dem anderen zu vertrauen“, beschreibt Matthias Eder die Zusammenarbeit. „Wir kennen uns in der Region ja alle und treffen uns regelmäßig, nicht zuletzt bei den Veranstaltungen des iGZ. Da hat man relativ schnell raus, mit wem es passen könnte und mit wem nicht.“ Wichtig sei, dass der mögliche Partner eine gewisse Größe habe. „Wer aus dem Wohnzimmer heraus arbeitet und keine Referenzen vorweisen kann, von dem lassen wir lieber die Finger.“ Co-Lieferanten-Tag schauen wir uns alles noch vor Ort an.“ Die Kommunikation des Masters sei entscheidend – zum Kunden und zu den Co-Lieferanten. „Wenn der Master nicht gut arbeitet, färbt das auch auf den Co- Lieferanten ab“, unterstreicht Wittmann. „Wir brauchen mittlerweile auch die Rolle des Co-Lieferanten aktiv, weil wir nicht mehr alle Kundenwünsche selbst erfüllen und besetzen können – und sonst die Aufträge verlieren würden. Der Mitarbeiter ist halt Mangelware.“ Warum dann nicht auch in Sachen Recruiting eine Coopetition eingehen und zusammen Arbeitskräfte suchen und finden? Nein, da schütteln sowohl Matthias Eder bei attentus in Wiesbaden als auch Andreas Wittmann bei Impact in Mannheim die Köpfe. „In der jetzigen Zeit will jeder den Mitarbeiter haben – gerade in so einem Gebiet wie hier, wo es Tausende von Auftraggeber-Unternehmen gibt“, sagt Master-Vendor Eder. „Letztendlich haben wir den gleichen Markt, ob ich da nun Master oder Co-Lieferant bin“, meint Wittmann. „Einen Mitarbeiter möchte ich an mich binden.“ An diesem Punkt bleibt Konkurrenz Konkurrenz. SaS Coopetition = Cooperation (Kooperation) + Competition (Wettbewerb); eine Kooperation unter Unternehmern, die eigentlich in direkter Konkurrenz zueinanderstehen. Eine Coopetition funktioniert, wenn beide Partner mehr Vorteile durch sie haben als im Vergleich zur bisherigen Arbeitsweise. In der Regel sind sich die direkten Konkurrenten sehr ähnlich oder ergänzen sich bei den angebotenen Leistungen oder Produkten, aber auch bei potenziellen Kunden.

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