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Zdirekt! 03-2022

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20 TITELTHEMA Spielerisch zum perfekten Job-Match Statt der großen Liebe oder einem Partner für schöne Nächte kann man auf der Datingplattform Tinder auch seinen neuen Arbeitgeber kennenlernen. Mit einer cleveren Werbekampagne hebt sich ein Schweizer IT-Dienstleister von anderen Arbeitgebern ab und bietet eine ganz andere Art des Matchings an. Zwischen den potenziellen Partnern lockt die Jobanzeige: „Wir sagen, wir haben uns auf LinkedIn kennengelernt.“ Beim Klick gelangt der Nutzer auf eine Seite des IT-Beratungsunternehmens Trivadis. Anstatt bloßer Stellenanzeigen bietet das Unternehmen aus der Schweiz den Nutzern an, ihre wichtigsten „Future Skills“ zu überprüfen – also wie fit sie für den Arbeitsmarkt der Zukunft sind. Anhand von 18 Fragen ermittelt ein Programm, ob der Benutzer beispielsweise besonders gut um die Ecke denkt oder sehr lösungsorientiert arbeitet. Das System fragt etwa, ob man nach der Lösung einer Aufgabe direkt zur nächsten weitergeht oder diese erst weiter optimiert. Erst wenn der Nutzer sein Ergebnis hat und seine herausstechenden Fähigkeiten kennt, zeigt die Website passende Stellenanzeigen an. Wie auf der Datingplattform werden außerdem Matches im Unternehmen angezeigt – Mitarbeiter, die ähnlich ausgeprägte Fähigkeiten haben und für ein Gespräch oder einen Chat bereitstehen. „Der Gedanke war, besonders qualifizierte Mitarbeiter herauszufiltern und mit den Future Skills etwas zu bieten, das auch außerhalb des Bewerbungsprozesses interessant ist“, erklärt Lisa Julie Adler, Head of Project Management bei Cyquest. Das Hamburger Unternehmen ist verantwortlich für das sogenannte Self-Assessment, mit dem sich die Bewerber selbst testen können. Dieses ist ähnlich aufgebaut wie die Online-Quizze, die etwas über die eigene Persönlichkeit verraten. Das ungewöhnliche Verfahren soll auf spielerische Art auf das Unternehmen aufmerksam machen und eine bessere Auswahl der Bewerber ermöglichen. Diese Art der Bewerbersuche ist keine Neuheit. Bereits 2019 sorgte der „Knast-O-Mat“ vom Land Nordrhein- Westfalen für Aufmerksamkeit. „Eignen Sie sich für die Arbeit hinter Gittern?“ titelte das Tool und warb um Personal für Gefängnisse in NRW. So konnte jeder seine Eignung für den Beruf testen und das Ergebnis mit seinen Freunden teilen. Ähnlich aufgebaut sind die vielen Berufseignungstests, etwa von der Bundesagentur für Arbeit oder die Studium-Interessentests etwa von ZEIT BVG-Ausbildungsberufsmatcher | www.bvg.cyquest.net/#/de/matcher

Z direkt! 03/2022 TITELTHEMA 21 ONLINE. Unternehmen wie Perseo und HR Diagnostics bieten ähnliche Eignungstests für bestimmte Branchen und Berufe an. Dies tut auch Cyquest, weicht aber immer wieder von den bloßen Eignungstests ab. Für ein großes Möbelhaus stellte das Unternehmen zum Beispiel einen „KulturMatcher“ bereit, der die Unternehmenskultur mit den Werten der Bewerber vergleicht. Die Self-Assessments zielen nicht darauf ab, das Bewerbungsgespräch zu ersetzen, sondern es zu ergänzen und besseres Personal hervorzubringen. Das bedeutet für die Bewerber aber auch mehr Zeitaufwand: Der Kulturmatcher dauert mit 49 Fragen knapp 20 Minuten. Das klingt nicht nach viel Zeit. In einer Welt, in der Videos auf Instagram höchstens 90 Sekunden lang sind, ist das aber eine echte Verpflichtung. „Einige steigen sofort aus dem Assessment aus, aber die meisten bleiben bis zum Ende, weil sie ihr Ergebnis sehen wollen. Die Tests sind kurz genug, um sie während der Bahnfahrt auf dem Handy zu machen“, so Adler. Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein längerer und aufwändigerer Bewerbungsprozess wirklich das ist, was viele Zeitarbeitsunternehmen gerade brauchen. Wenn der Bewerberstuhl viel zu oft leer bleibt, ist es dann nicht das Beste, alle Hindernisse abzubauen und möglichst viele Menschen einzuladen? „Das kann nach hinten losgehen“, warnt Adler. „Personen einzuladen, die nicht ins Unternehmen oder zur Jobbeschreibung passen, bedeutet vor allem mehr Aufwand. Und die Gefahr jemanden einzustellen, der dann wieder kündigt oder gekündigt werden muss, ist auch größer. Es folgen ein neuer Bewerbungsprozess und neue Kosten.“ Die Online-Selbsttests seien auch ein guter Weg, Informationen über das Unternehmen spannend zu verpacken und Interesse zu wecken, erklärt die Diplom- Psychologin. „Je mehr Zeit ich schon investiert habe, desto eher möchte ich, dass daraus etwas wird.“ Die Assessments sind möglichst einsteigerfreundlich konzipiert. Die Teilnehmer bleiben anonym und erhalten das Ergebnis auch, ohne sich auf eine Stelle zu bewerben oder ihre Kontaktdaten preiszugeben. So sollen sich möglichst viele dafür entscheiden, den Test zu machen und rauszufinden, welche Unternehmenswerte ihnen besonders wichtig sind oder welche Fähigkeiten sie auszeichnen. Denn das Interesse für Umorientierung ist da. Die EY-Jobstudie von Anfang des Jahres geht davon aus, dass jeder Zweite an einem Arbeitgeberwechsel interessiert wäre. BWI-Ausbildungsmatcher | www.bwi.de/ausbildungsmatcher Wie viele Teilnehmer der Self-Assessments sich tatsächlich auf eine Stelle bewerben, kann von Cyquest nicht erhoben werden. Auch konkrete Daten, ob sich deutlich mehr oder bessere Bewerber melden, gibt es in dem Tool nicht. „Diese Daten müssten von den Kundenunternehmen direkt erhoben werden“, berichtet Adler. Doch die Rückmeldungen von den Kunden ließen auf positive Ergebnisse schließen. Einige berichteten von Bewerbern, die stolz das Ergebnis aus dem Selbsttest mit zum Jobinterview brachten. Die gemeinsamen Werte oder gesuchte Fertigkeiten im Unternehmen stellten dabei die perfekte Grundlage für ein vielversprechendes Kennenlerngespräch dar. GB

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