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Zdirekt! 03-2019

16 TITELTHEMA

16 TITELTHEMA Zdirekt-Chefredakteur Wolfram Linke im Gespräch mit Ralf Häder Warum kooperiert der Bundesverband Alphabetisierung jetzt mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen? Die Kooperation hat viel Gutes. Laut Theorie bestimmen fünf Säulen im Leben unsere Identität und Fortbestehen: Gesundheit, Familie, Arbeit, finanzielles Auskommen und persönliche Werte – die Arbeit spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn sie ist Voraussetzung, um die anderen Faktoren bewältigen zu können. Im Job sind andere Werte wichtiger, die Lese- und Rechtschreibschwäche spielt im kollegialen Miteinander eine nicht so große Rolle. Hier sind Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Einsatzfreude entscheidender. Auf der anderen Seite ist Arbeit für Betroffene der Hauptmotivationsgrund für die Teilnahme an einer Weiterbildung. 57 Prozent der Betroffenen gaben an, dann die Arbeit besser machen zu können. Arbeit ist somit der wichtigste Weiterbildungsgrund – und nicht, Lesen und Schreiben zu lernen. Zeitarbeit bietet Betroffenen vor allem auch durch die Begleitung von Personaldisponenten die Möglichkeit, sich im Kollegenkreis zu öffnen und auch mit rudimentären Kenntnissen voll integriert zu sein. Zeitarbeit ist meiner Meinung nach damit die beste Sozialarbeit zur Integration funktionaler Analphabeten. Wenn wir Zeitarbeitnehmern Seminare mit beruflichem Kontext inklusive der Möglichkeit Lesen und Schreiben zu lernen anbieten, schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.

Z direkt! 03/2019 TITELTHEMA 17 Sehen Sie in der Kooperation auch eine Chance, einen weiteren Schritt in Richtung Akzeptanz der Bevölkerung für diese Schwäche zu unternehmen? Welche Zielgruppen sollen im Rahmen der Kooperation angesprochen werden? Angesprochen werden sollen vor allem auch Personaldisponenten: Sie vollbringen eine gesellschaftlich sehr wichtige Leistung, weil sie den (Bildungs-)Schwächsten eine Option bieten können. Zeitarbeit ist kein zu enges Korsett, sondern ein Sprungbrett in Arbeit. Betroffene können durch die flexiblen Einsätze ihre eigenen Fähigkeiten kennenlernen und sie erhalten dabei sowohl Unterstützung als auch Begleitung. Die Branche bietet zudem gute Voraussetzungen, Hilfen in Gruppen zu managen. „Lesen lernen mit Zeitarbeit“ lautet das gemeinsame Motto. Welche praktischen Hilfestellungen für Betroffene sind gemeinsam geplant? Zunächst gilt es, Hilfestellungen wie etwa das ALFA-Telefon bekannt zu machen – auch Disponenten können sich bei Fragen an uns wenden oder unser ALFA-Mobil für eine Aktion bei sich vor Ort einbinden. Es geht also auch darum, der Branche und den Mitarbeitern die Inhalte bekannt zu machen und mögliche Hilfen in leicht verständlicher Sprache und Schrift vorzustellen. Ganz wichtig ist dabei immer zu verdeutlichen, welchen hohen Wert die Arbeit für die Betroffenen hat. Ja, absolut: Unsere Kooperation führt die wissenschaftlichen Diskussionen und Forschungen auf eine lebenspraktische Ebene. Eine zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz können wir aus den sinkenden Zahlen funktionaler Analphabeten schließen. Dennoch ist der Umgang mit Betroffenen und ein Verständnis für die Lese- und Rechtschreibschwäche nicht überall präsent. Unsere Kooperation setzt im Alltag der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an und bietet individuelle und strukturelle Hilfe. Gibt es Ihrerseits eine Zieldefinition der Kooperation des BVAG, des Spaß am Lesen Verlages und des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen? Ziel ist es, dass funktionale Analphabeten erkennen, dass sie Beratung und ein kostenfreies Angebot bekommen können. Mit unserer Kooperation ergeben sich echte Synergieeffekte. Wenn wir etwa mit dem ALFA- Telefon bei der Volkshochschule sind und ein Vertreter eines Zeitarbeitsunternehmens ist dabei, bekommen die Betroffenen mit nur einem Anruf ein echtes Full-Service-Paket von der Beratung über einen VHS-Lernkursus bis hin zum eventuellen Jobangebot der Zeitarbeitsfirma. Der Spaß am Lesen Verlag rundet das Angebot mit leicht lesbaren Materialien ab und reduziert so die Angst vor den Buchstaben. Richten sich die Angebote auch an ausländische Zeitarbeitnehmer, die Deutsch in Schrift und Sprache nicht oder kaum beherrschen? Besonders mit Blick auf Flüchtlinge gilt ja auch, dass eben nicht nur Akademiker nach Deutschland kommen, für die das Erlenen unserer Sprache nahezu kein Problem darstellt. Es kommen natürlich auch Menschen, die schon in ihrer Heimat die Lese- und Rechtschreibschwäche mit der eigenen Sprache hatten. Wenn sie hier ihre Deutschkurse absolviert haben und das erkennbar ist, sind wir für sie da, mit Beratung und Hilfe.

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