22 TITELTHEMA Kräfte in der Tarifpolitik bündeln In den vergangenen Wochen und Monaten haben die beiden Verbände BAP und iGZ in Arbeitsgruppen verschiedene Verbandsbereiche miteinander verglichen und besprochen, wie man in einem möglichen gemeinsamen Verband zum Wohle der Mitglieder weiterarbeiten möchte. Für die Tarifpolitik war eine solche Bestandsaufnahme kaum notwendig. Seit 2011 arbeiten iGZ und BAP in der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) zusammen. Damit führen sie die Verhandlungen gemeinsam, die endgültige Zustimmung zu den Tarifabschlüssen erfolgt jedoch in den jeweiligen Tarifkommissionen der Verbände. Die Entscheidung für eine solche Verhandlungsgemeinschaft war gut und richtig. Dennoch sei nicht verschwiegen, dass die Akteure in der VGZ erst zusammenwachsen mussten und dass es in den ersten Jahren der Zusammenarbeit auch schwierige Situationen gab. Gerade aber in den vergangenen Jahren ist die Zusammenarbeit immer enger und vertrauter geworden, sodass das Trennende zwischen den Verbänden immer kleiner und das Gemeinsame immer größer wurde. Beide Seiten kennen und schätzen sich. Dennoch werden auch dann, wenn die Mitgliederversammlungen dem Zusammengehen zustimmen, zunächst zwei verschiedene Tarifkommissionen fortbestehen. „Natürlich wollen wir die beiden Tarifwerke BAP und iGZ so bald wie möglich zusammenführen“, erklärt iGZ- und VGZ-Verhandlungsführer Sven Kramer. „Aber dafür müssen wir genau ausloten, was wir aus den jeweiligen Tarifwerken behalten wollen und dies dann mit den Gewerkschaften verhandeln. Das würden wir so kurzfristig bis zum Wirksamwerden einer Verbandszusammenführung nicht schaffen.“ Die Sozialpartnerschaft in der Zeitarbeit feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. 2003 schloss der iGZ zusammen mit der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit das Tarifwerk zur Zeitarbeit. Auch der BZA, der Vorgänger des BAP, einigte sich mit der DGB-Tarifgemeinschaft. Daneben entstanden aber noch eine ganze Reihe weiterer Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP). Die Tariflandschaft in der Zeitarbeit zersplitterte, wobei weniger die Pluralität ein Problem war als die ausgesprochen niedrigen Entgelte, die in den Tarifverträgen mit der CGZP, vor allem in einzelnen Haustarifverträgen, vereinbart wurden. Das brachte der Branche viel Kritik und ein Arbeitsgerichtsverfahren ein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah die CGZP letztendlich als nicht tariffähig an, wodurch die mit ihr geschlossenen Tarifverträge – rückwirkend – unwirksam waren. Nachdem 2013 ein weiterer Versuch der CGB scheiterte, wirksam Tarifverträge der Zeitarbeit in die Zeitarbeitsverträge zu implementieren, endete diese Geschichte.
Z direkt! 02/2023 TITELTHEMA 23 Parallel dazu gab es gleich mehrere Erfolgsgeschichten: 2012 trat die Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit in Kraft. Sie verhindert die (inter-)nationale Unterschreitung der mit der DGB-Tarifgemeinschaft ausgehandelten Mindestlöhne. Seit Beginn dieses Jahres gilt mittlerweile die fünfte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung. Ebenfalls 2012 traten die Branchenzuschlagstarifverträge in Kraft, die jeweils mit einer zuständigen DGB-Gewerkschaft geschlossen wurden. Sie gleichen die Lohnunterschiede in Abhängigkeit von der Dauer des Einsatzes aus, die zu bestimmten Einsatzbranchen bestanden hatten. Das gilt vor allem für den wichtigsten Branchenzuschlagstarifvertrag für die Überlassung in die Metall- und Elektro-Industrie. Weitere zehn Branchenzuschlagstarifverträge folgten. „Viele erinnern sich noch an die denkwürdige Mitgliederversammlung zur Abstimmung über die Branchenzuschlagstarifverträge, mit rund 1.000 Menschen in Köln“, blickt Sven Kramer zurück. „Vor allem die überzeugenden Ausführungen unseres langjährigen Verhandlungsführers Holger Piening haben eine anfängliche Skepsis in eine fast hundertprozentige Zustimmung zu diesen Tarifverträgen gewandelt.“ So entstand eine sehr differenzierte Tarifarchitektur, auf die die Branche mit einigem Stolz blicken kann. Dennoch hat die Zeitarbeit fortwährend mit Tendenzen des Gesetzgebers zu kämpfen, in die Tarifautonomie der Branche einzugreifen. Während durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt 2002 die Beschränkungen weitgehend aufgehoben wurden und zu einem bemerkenswerten Aufschwung von Branche und Arbeitsmarkt beitrugen, zeigte der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren klare Tendenzen zur Eingrenzung der Zeitarbeit – etwa mit der AÜG-Novelle, die im April 2017 in Kraft trat. Sie beschränkte sowohl die Tarifautonomie der Zeitarbeit als auch die Überlassungshöchstdauer, was nach wie vor als schmerzlich angesehen wird. Aktuell drohen der Zeitarbeit neue Gefahren – diesmal aus Luxemburg, wo der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die „EU-Leiharbeitsrichtlinie“ entschieden hat. Der EuGH sieht die Möglichkeit der Tarifparteien, vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Tarifverträgen der Zeitarbeit abzuweichen, nur sehr eingeschränkt als möglich an. Das letzte Wort hierzu hat das BAG. „Die Rechtsprechung in Deutschland sollte die Besonderheit einer verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie berücksichtigen“, appelliert Martin Dreyer an das BAG und die Arbeitsgerichte, die im Nachgang zu den Hinweisen des EuGH zu entscheiden haben. „Die Sozialpartnerschaft mit der DGB-Tarifgemeinschaft ist bei allen Schwierigkeiten eine Erfolgsgeschichte. Wir haben immer gesagt: Tarif vor Gesetz! Es wäre ein großer Fehler, würden durch Rechtsprechung oder Gesetz die Anforderungen so geändert werden, dass eine sinnvolle tarifliche Gestaltung nicht mehr möglich wäre. Ich bin fest davon überzeugt, dass es bei den gegenwärtigen Herausforderungen gerade auch auf diesem Feld umso wichtiger ist, die Kräfte in einem Verband zu bündeln.“ MD/SK Anzeige Verbessern Sie Ihren Cashflow noch heute
Laden...
Laden...
Laden...
© 2017, Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
PortAL 10
Albersloher Weg 10
48155 Münster
Tel. 0251 32262-0
Fax 0251 32262-100
Schumannstr. 17
10117 Berlin
Tel. 030 280459-88
Fax 030 280459-90