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Zdirekt! 02-2023

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20 GASTBEITRAG Wir

20 GASTBEITRAG Wir brauchen die Zeitarbeit – mehr denn je! Die Zeitarbeit war und ist seit Jahren ein Beschäftigungsmotor! Nach meiner Überzeugung wird sie in Zukunft für den Arbeitsmarkt sogar an Bedeutung gewinnen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, Fachkräfte aus Drittstaaten auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Zeitarbeit kann diese wichtige Rolle als Motor des Arbeitsmarktes nur spielen, wenn sie flexibel und anpassungsfähig reagieren kann. Daher sollten Gesetzgeber und Bundesregierung nachdrücklich daran arbeiten, die Zeitarbeit flexibel zu halten, Rechtssicherheit zu gewährleisten und Gestaltungsoptionen zu eröffnen. Aktuell dürfen Zeitarbeits- und Personalvermittlungsunternehmen in Deutschland außer in wenigen Ausnahmen (zum Beispiel bei Hochqualifizierten) keine ausländischen Arbeitskräfte aus Drittstaaten rekrutieren und dann beschäftigen. Das ist nicht mehr zeitgemäß und eine verpasste Chance in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels. Das Beschäftigungsverbot gehört abgeschafft. Denn die Zeitarbeit wird gebraucht. Mit ihrer langjährigen Erfahrung bei der Auswahl, Betreu- ung und Weiterbildung ihrer Beschäftigten kann sie insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei der Personalgewinnung im Ausland unterstützen. Für kleine und mittlere Unternehmen ist die Anwerbung, gegebenenfalls Nachqualifizierung und Integration ausländischer Beschäftigter, in der Regel ohne Unterstützung schwierig zu organisieren. Zeitarbeitsunternehmen können ihre Expertise einbringen und als „Begleiter“ fungieren. Steffen Kampeter Foto: BDA | Michael Hübner

Z direkt! 02/2023 GASTBEITRAG 21 In den vergangenen 20 Jahren ist die Zeitarbeit mehrfach grundsätzlichen Änderungen unterzogen worden. Auf vorsichtige Öffnungsschritte durch das Arbeitsförderungsreformgesetz aus dem Jahr 1997 folgte vor allem durch die Agenda 2010 im Anschluss an das Jobaktivgesetz, mit der Einführung von Equal Treatment (das sich besonders im Bereich des Equal Pay auswirkt) ein weiterer großer Umbruch. Dieser Umbruch hätte zum damaligen Zeitpunkt die Zeitarbeit nachdrücklich behindern können. Dass er dies nicht getan hat, lag vor allem an der Öffnung von Equal Treatment für die Tarifvertragsparteien. Diese Öffnung ist in vielen, genauer gesagt für viele Branchen erfolgreich genutzt worden. Die Tarifautonomie ist ganz besonders auch in der Zeitarbeit eine Erfolgsgeschichte. Es ist sehr zu wünschen, dass diese Erfolgsgeschichte fortbestehen kann. Das gilt ganz besonders vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. Dezember 2022 in der Rechtssache TimePartner. Dieses Urteil macht mir große Sorgen. Mit ihm stellt der EuGH partiell die Tarifautonomie infrage. Er greift mit der Entscheidung nachdrücklich in die Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen ein. Er stellt damit auch das sehr praxistaugliche System und die Wirkungsweise der Tarifautonomie für die Zeitarbeit in Deutschland konkret auf den Prüfstand. Auch wenn die Entscheidung zum deutschen Recht gefällt worden ist, orientiert sie sich erkennbar am Agenturprinzip der überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten der Union für die Zeitarbeit. Nach diesem Agenturprinzip bleibt nicht – wie bei uns in Deutschland – das Zeitarbeitsunternehmen Arbeitgeber, vielmehr tritt durch den Einsatz de facto und de jure vielfach der Einsatzbetrieb an dessen Stelle. Das unterscheidet diese Systeme grundlegend vom nationalen Verständnis der Zeitarbeit als eigenständigem Beschäftigungsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber bleibt auch in einsatzfreien Zeiten aufrechterhalten. Für die Arbeitnehmer gilt das gesamte deutsche Arbeitsrecht von A wie Arbeitszeit bis Z wie Zusatzleistungen. Die sogenannten verleihfreien (besser: einsatzfreien) Zeiten liegen in der Verantwortung des Zeitarbeitsunternehmens. Das ist ein wichtiges Element des Gesamtschutzes, dessen Berücksichtigung der EuGH anmahnt. Es ist daher zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht die Gestaltungsspielräume, die der EuGH nach meiner Einschätzung eröffnet, in seiner Schlussentscheidung in dieser Sache nutzt. Zwar handelt es sich bei der betroffenen Arbeitnehmerin um eine befristet eingestellte Arbeitskraft, auch für diese gilt jedoch das deutsche Arbeitsrecht. Auch der Gesetzgeber und das Arbeitsministerium sollten überlegen, wie sie diesen Prozess sinnvoll begleiten können. Die Zeitarbeitsrichtlinie bietet dazu eine Öffnungsklausel an, die ein generelles Abweichen vom Gleichbehandlungsgrundsatz durch den Gesetzgeber zumindest für unbefristet beschäftigte Zeitarbeitnehmer ermöglicht. Unabhängig davon, wie das Bundesarbeitsgericht den konkreten Fall entscheidet, sollte gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH zu Equal Treatment und Equal Pay diese Öffnungsklausel gesetzgeberisch fruchtbar gemacht werden. Zeitarbeit ist kein Massenphänomen auf dem Arbeitsmarkt. Zeitarbeit hat aber ihren festen Platz im System der Arbeitsbeziehung in Deutschland. Zeitarbeit ist ein Einstieg in den Arbeitsmarkt, sie ist in der Tarifautonomie ein Paradebeispiel für flexible und gute Tarifverträge. Das gilt nicht nur für die Gestaltung der Kernarbeitsbedingungen, es gilt teils branchen- und teils unternehmensbezogen auch für die Gestaltung der Überlassungshöchstdauer. Gerade auch für die Gewinnung von Arbeitskräften brauchen wir die Zeitarbeit. Es ist daher sehr wünschenswert, ihren Anwendungsbereich zu erweitern. Das Kontraproduktivste, was in diesem Kontext geschehen kann, wären neue Beschränkungen und Begrenzungen, die dieses wichtige Arbeitsmarktinstrument konterkarieren. Steffen Kampeter ist seit 2016 Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Als CDU-Politiker war Kampeter von 1990 bis 2016 Mitglied des Deutschen Bundestages, von 2009 bis 2015 parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.

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