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38 GASTBEITRAG Von Dr. Bodo Antonić Wie New Work doch noch zum Win-Win-Win wird „Neue Arbeit“ ist die große Verheißung für eine ausgelaugte Arbeitswelt. Doch hält die Realität, was die Idee verspricht? Und taugt sie für die Zeitarbeit? Seit den frühen Achtzigern geistert die Idee von New Work, der neuen Arbeit, durch die Köpfe wohlmeinender Manager und gefrusteter Mitarbeiter. Das Thema hatte seine Hoch und Tiefs, ist aber immer noch hipp. Unzählige Bücher werden dazu geschrieben, Vorträge gehalten – und ja, es gibt auch Firmen, die versuchen, New Work umzusetzen. Nach meiner Beobachtung kommen diese Firmen nach wie vor aus dem IT- und Start-up-Umfeld – wenngleich sich immer mehr Branchen das Etikett anheften, sobald sie über die Anschaffung eines Kickertisches oder den einen oder anderen Homeoffice-Arbeitstag nachdenken. Deshalb gilt es noch einmal festzuhalten, was New Work eigentlich will – bevor wir uns die Frage stellen, ob das Konzept hält, was es verspricht. Und ob es für die besonderen Gegebenheiten in der Zeitarbeit überhaupt taugt. Aus meiner Sicht zielt New Work auf folgende drei Effekte. Erstens: Mehr Verantwortung, Partizipation und Gestaltung der Mitarbeitenden in Unternehmen ermöglichen (weil Manager nicht alles wissen und können). Zweitens: Mehr Flexibilität für Mensch und Organisation sicherstellen (wie es die viel beschworene volatile, unsichere, komplexe und ambigue Wirtschaftswelt von uns fordert). Drittens: Mehr Kundenorientierung in der Leistungserbringung ermöglichen (wie es uns neue, höchst kundenzentrierte und oft digitalisierte Geschäftsmodelle vormachen). All das ist richtig und wichtig. Aber was haben die New- Work-Apostel daraus gemacht? Sie haben viel Lärm um Kreativität, Potenzialentfaltung und Sinnsuche bei ge-

Z direkt! 02/2022 GASTBEITRAG 39 langweilten Büroarbeitern erzeugt. Sie haben Arbeit zur Wohlfühlorgie im Bällebad, am Kickertisch und der Büro- Hängematte stilisiert. Sie haben einen hohen Durchsatz an Post-Its in unzähligen Design- und Kreativworkshops produziert. Und sie haben den Begriff New Work mit allem aufgeladen, was dem Zeitgeist gefällt: von Kapitalismuskritik über Ökologie bis hin zu Genderfragen. Kann so ein Konzept für Zeitarbeit ein Nordstern sein? Eher nein als ja. Zugegeben: Wo sich Zeitarbeitsanbieter selbst neu aufstellen, dürfen die genannten drei Prinzipien durchaus Pate für eine Optimierung der eigenen Arbeits- und Servicewelt stehen. Mehr Flexibilität, mehr Gestaltungsspielraum für engagierte Mitarbeitende sowie mehr Kundenorientierung tut auch im Dienstleistungssektor gut. Der Abbau von sinnlosen Ritualen, Hierarchien und Vorschriften im Tausch gegen mehr Nähe zum Kunden und mehr Beweglichkeit ist ohne Frage ein Erfolgsrezept. Was aber bedeutet die von den New-Work-Aposteln so verklärte neue Arbeitswelt für die Menschen, die über Zeitarbeitsverträge meist in Niedriglohntätigkeiten vermittelt und oft als Mitarbeitende zweiter Klasse behandelt werden? Für die Homeoffice meist rein praktisch kein Thema, Sinnsuche nun wirklich nicht die vordringliche Herausforderung und Kreativität was für Künstler und Kunstliebhaber ist? Für sie kann das ganze New- Work-Gedöns um Sinn, Spaß und Entfaltung nur zynisch wirken. Und Zeitarbeits-Provider sollten sich dessen bewusst sein. Dr. Bodo Antonić Deshalb ist und bleibt der wichtigste Hebel für eine neue Arbeitswelt auch für Zeitarbeiternehmerinnen und Zeitarbeitnehmer aus meiner Sicht die faire und angemessene Bezahlung. Und die entsteht im Zusammenwirken von Anbietern und Abnehmern. Messen Sie daher Kundschaft, die von New Work, Potenzialentfaltung und Sinnsuche bei der Arbeit schwadroniert, gerne an der Bereitschaft, den Wert der von Ihnen vermittelten Arbeitskraft Ihnen und Ihren Arbeitskräften auch adäquat zu bezahlen. Ermutigen Sie Ihre Auftraggeber, im Rahmen der Möglichkeiten die von Ihnen entliehenen Arbeitskräfte in diese viel gepriesene New-Work-Welt auf ihrem Betriebsgelände mit einzubeziehen. Sie leisten damit mehr zur Motivation und Potenzialentfaltung Ihres überlassenen Personals als mit allem Schnickschnack, mit dem New-Work-Unternehmen ihre eigene Arbeitswelt ausstaffieren: von der Hängematte über den Mate-Tee bis hin zum Bällebad für eine vergnügungshungrige Spaßguerilla. Und, nach allem wirtschaftlichem Ermessen und langjähriger Managementerfahrung gilt: Sie tun als Zeitarbeits-Provider damit auch etwas für Ihren Umsatz und Gewinn. Denn mit dem Image und dem Geschäftsgebaren des fairen Arbeitgebers gewinnen Sie mit weniger Aufwand die besseren Arbeitskräfte, vermitteln diese zu höheren Margen, binden sie dauerhaft an sich als Provider und garantieren auf diese Weise auch die höhere Qualität und Planbarkeit an Leistungserbringung gegenüber Ihren Kunden. In meiner kleinen Managerwelt nennt man das dann Win-Win-Win! DR. BODO ANTONIĆ ist als Interimmanager seit 20 Jahren unter Extrembedingungen im Einsatz: in schnell wechselnden Einsätzen, kurzfristig, unter Druck, nur auf begrenzte Zeit. Hierbei hat er einen unverstellten Blick auf die Herausforderungen im Management entwickelt, den er in Veröffentlichungen und Vorträgen vermittelt. Nach seinem Studium der Chemie, Physik und BWL in Heidelberg, Mülheim an der Ruhr und Hagen, promovierte der Autor von Büchern und Fachpublikationen zum Dr. rer. nat. www.bodo-antonic.de

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