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Zdirekt! 02-2022

22 TITELTHEMA Interview

22 TITELTHEMA Interview „Das Warum muss für junge Leute geklärt sein!“ Vierzig Jahre lang den gleichen Job machen, mit geregelten Arbeitszeiten und einer hohen Sicherheit – für viele ältere Arbeitnehmer war dies lange der Beschäftigungstraum. Die jüngeren Generationen ticken anders. Sicherlich nicht alle, aber doch die meisten der jungen Leute. Kaum einer kennt die Generation Z und ihre Job-Träume so gut wie Social-Media-Creator und CEO von Karriereguru Tobias Jost. Mit ihm hat Zdirekt!-Chefredakteurin Sara Schwedmann über New Work, Unternehmenskultur und Work-Life-Balance gesprochen. New Work – der letzte Schrei? Ist schliesslich Englisch und New steht davor … Tatsächlich hat sich da aus meiner Sicht gerade in den vergangenen zwei Jahren rasant etwas geändert, besonders aufgrund der Pandemie, da einfach die Dinge noch mal hinterfragt worden sind. New Work bedeutet letzten Endes, dass sich neue Arbeitsweisen etabliert haben. Bevor ich das, was ich heute tue, getan habe, war ich in der Softwareentwicklung tätig. Und da habe ich bereits 2016 gemerkt, wie die üblichen Herangehensweisen und Arbeitsmodelle nicht mehr funktioniert haben. Aus der digitalen Softwareentwicklung haben sich dann agile Modelle im Projektmanagement, Scrum und diese ganzen Buzz-Wörter, die man so kennt, herausgebildet. Für mich ist New Work kein alter Schuh, sondern tatsächlich sehr präsent und brisant und wird sich auch sicherlich in den nächsten Jahren noch mal schärfer entwickeln. Hippe Büro-Ausstattung, Kickertisch, Obstkorb, dazu Videokonferenzen und Homeoffice – und schon ist mein Unternehmen voll New Work? Nein, so einfach ist das nicht. Für mich bedeutet New Work vor allem, nicht mehr alles über einen Kamm zu scheren und individuelles Arbeiten zu ermöglichen. Wir kennen es aus der Schule: Da sitzen 30 Schüler in einer

Z direkt! 02/2022 TITELTHEMA 23 Klasse und jeder lernt anders. Der eine ist der auditive Typ, der andere liest lieber und versteht die Dinge dann besser. Und ähnlich ist es in der Arbeitswelt: Jeder entfaltet dann wirklich sein Potenzial, wenn die Arbeitsweise und das Umfeld ihm oder ihr auch in die Karten spielen. Das bedeutet für mich New Work: Flexible Arbeitsmodelle, die es eben jedem Einzelnen ermöglichen, sich auf die Art und Weise einzubringen, die ihm am besten passen und die ihn am besten arbeiten lassen. Für viele Ältere war lange Zeit das Ziel, am besten das gesamte Leben lang für ein Unternehmen zu arbeiten, von montags bis freitags, 9 bis 17 Uhr. Wie haben sich die Erwartungen an den Job bei jungen Menschen verändert? Die jungen Leute haben diesen Drang, sie möchten in die Arbeitswelt rein und etwas tun, was auch wirklich Sinn hat. Das Schlimmste, das passieren könnte, wäre, wenn ich Dienst nach Vorschrift machen müsste und in einem festgefahrenen Konstrukt jemandem weisungsbefugt unterstellt bin – ohne Spielraum, die Person zu sein, die ich denn eigentlich bin. In den sozialen Medien und generell im Internet hat jeder Mensch die Möglichkeit, die Person zu sein, die man gern ist. Die ganze Welt liegt einem innerhalb eines Klicks in der Hand, und in der analogen Welt findet eben das komplette Gegenteil statt. Und hier gibt es aktuell einen starken Umbruch, bei dem das Thema New Work ganz stark greift. Heisst das auch, New Work kann Unternehmen attraktiver machen für junge Bewerber? Ja, aber dazu müsste man zunächst erstmal eine allgemeingültige Definition finden. Jeder hat irgendwie was anderes im Kopf. Für mich bedeutet New Work in erster Linie individuell abgestimmtes Arbeiten. Für andere ist es eben der Obstkorb und die ganzen Benefits, die man so auflisten kann. Habe ich eine Definition, kann ich mit meiner Zielgruppe in Kontakt treten, aber ich kann halt nicht davon ausgehen, dass ich plötzlich neue Kandidatinnen und Kandidaten anziehe, nur weil ich einen Obstkorb hinstelle oder ein cooles Office habe. Ich muss mich fragen: Was bedeutet für mich New Work? Was kann ich als Unternehmen auch leisten und umsetzen? Was ist meine Firmen-DNA? Wie haben wir bisher funktioniert? Wo stoßen wir aktuell an unsere Grenzen? Das muss ich wirklich ganz systematisch beantworten und strategisch angehen. Auf gar keinen Fall sollte ich mir einfach nur was von einer Firma wie etwa Google abschauen, weil ich mal so eine Start-up-Tour im Silicon Valley gemacht habe und meine, wir bräuchten jetzt auch einen Tischkicker. Das muss sich natürlich anfühlen und authentisch in die Unternehmenskultur einfügen. Was ich derzeit nahezu täglich auf LinkedIn und Co. erlebe und was mich besorgt, ist, dass immer mehr Recruiter keine Bewerbungs-Anschreiben mehr wollen, nur noch den Lebenslauf. Da läuft es mir kalt den Rücken runter, weil man tatsächlich nur noch den Blick auf Daten und Fakten wie Noten und Kenntnisse wirft, man aber komplett den Menschen dahinter aus den Augen verliert und die Geschichte, die jemand zu erzählen hat. Die hohe Zahl an Jobwechslern, das Jobhopping, wenn junge Leute bereits nach einem Monat eine Firma wieder verlassen, das bekomme ich nicht in den Griff, indem ich einfach immer nur Lebensläufe checke. Ich muss wirklich versuchen, den Menschen dahinter zu verstehen und kennenzulernen, um erkennen zu können, ob der Mensch zu meinem Unternehmen und mir auch passt. Dazu muss ich aber auch klar haben, was mein Unternehmen ausmacht. Du sprichst da auch von der Unternehmenskultur. Welchen Faktor spielt denn der Spaß bei der Generation Z und die viel genutzte Work-Life- Balance? Mit Sicherheit ist das auch ein Faktor. Indem ich auf die individuellen Bedürfnisse eingehe, entsteht natürlich automatisch ein größeres Wohlbefinden und damit auch Freiheit und Unabhängigkeit. Ich würde nicht pauschalisieren, dass Freiheit und Unabhängigkeit Werte sind, die die gesamte Generation Z so hoch lobt. Auch hier gibt es ganz viele, die nach wie vor sehr sicherheitsbedürftig sind und sich gern in ein Konstrukt einfügen, in dem sie erklärt bekommen, was sie machen sollen. Aber die Kommunikation hat sich komplett geändert. Ich kann mich nicht mehr hinstellen und ganz autoritär sagen: „Das muss gemacht werden, weil es gemacht

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