50 GASTBEITRAG Der Bärendienst: Problemlösungen mit dem großen Stein 1 Die Bundesregierung plant, in der Fleischwirtschaft den Einsatz von Fremdpersonal zu verbieten. Dies soll auch für die Zeitarbeit gelten. Der Vorschlag kann nur bewertet werden, wenn man zuvor fragt, was damit erreicht werden soll. Ich will mich hier nur mit der Zeitarbeit befassen – bei den Werkverträgen ist es etwas komplizierter, aber das Ergebnis wird ähnlich sein. Im Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 20. Mai 2020 werden die Missstände aufgeführt: „Konkret werden u.a. Überbelegungen und Wuchermieten, Verstöße gegen Hygiene-, Abstands-und Arbeitsschutzbestimmungen (insbesondere fehlende Schutzausrüstung, zu geringer Sicherheitsabstand, keine arbeitsmedizinische Versorgung) sowie Verstöße gegen das Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetz angeführt.“ Dagegen soll nun ein Verbot der Arbeitnehmerüberlassung wirksam helfen. Tut es das nicht, wäre es verfassungs- und europarechtswidrig. Sehen wir uns die Sache an: Bei der Zeitarbeit sind die überlassenen Arbeitnehmer genauso wie Stammpersonal in den Betrieb, in dem sie arbeiten, eingegliedert. Alle Arbeitsschutzpflichten und Hygieneregeln gelten für diese Arbeitnehmer und sie treffen sowohl den Entleiher als auch den Verleiher. Der Betriebsrat des Einsatzbetriebs ist für die Leiharbeitnehmer mit zuständig; sie wählen nach drei Monaten Einsatzzeit diesen Betriebsrat mit. Das Verbot kann also insoweit nichts Wesentliches verändern. Nur: Wenn der Verleiher nicht dafür sorgt, dass der Arbeitsschutz eingehalten wird, kann ihm die Bundesagentur die Überlassungserlaubnis entziehen. Dann ist er wirtschaftlich „tot“. Bei der Arbeitszeit sind die Zeitarbeitskräfte auch doppelt abgesichert. Hier ist sowohl der Entleiher als auch der Verleiher in der Pflicht. Hier würde ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher nichts verbessern. Das Einsatzunternehmen kann bei Arbeitszeitverstößen ein Bußgeld auferlegt bekommen; der Verleiher kann zusätzlich seine Überlassungserlaubnis verlieren. Arbeitszeiterfassung und Lohnsicherung: Hier ist die Zeitarbeit schon jetzt die vermutlich „sicherste“ Branche, weil der Verleiher selbst nach dem Zeitverbrauch bezahlt wird. Zeitarbeit ohne Zeiterfassung gibt es nicht. Ein Verleiher, der seinen Leuten den geschuldeten Lohn nicht zahlt, kann mit einem Bußgeld belegt werden und seine Überlassungserlaubnis verlieren. Einem „normalen“ Arbeitgeber kann das nicht passieren. Und die Vergütung? Es gibt in der Zeitarbeit seit 2010 keine Dumpinglöhne mehr. Mit der Pseudogewerkschaft Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PersonalService-Agenturen (CGZP) sind sie verschwunden. Entweder haben wir heute Gleichbehandlung mit dem Stammpersonal oder einen DGB-Tarifvertrag. Der Tariflohn beträgt im Westen in der untersten Stufe aktuell € 10,15. Und da es für die Überlassung in die Fleischbranche noch keinen 1 „Der Bär und der Gartenfreund“ heißt die Fabel von La Fontaine, in der erklärt wird, was ein Bärendienst ist.
Z direkt! 02/2020 GASTBEITRAG 51 Branchenzuschlags tarifvertrag gibt, greift nach neun Monaten die Pflicht zur vollen Gleichbehandlung beim Entgelt. Die Wohnsituation von Arbeitnehmern, die nur vorübergehend in Deutschland sind, ist ein komplexes Thema. Es ist eher bei Werkverträgen relevant. Ich will hier nicht die Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes abhandeln, das auch unabhängig davon greift, wer Arbeitgeber ist. Was ich in der Praxis vermisse, ist die Anwendung der speziellen Instrumente gegen Ausbeutung, die wir schon lange haben: Ganz gewöhnlicher Mietwucher ist gemäß § 291 StGB strafbar. Mir ist kein Fall bekannt, in dem dieser Straftatbestand, der kernige Strafen bereithält, gegenüber einem Vermieter von weit überteuerten Massenunterkünften in unserer Region angewandt wurde. Dabei würden die Schreckensgeschichten, die erzählt werden, sicher darunterfallen. Denn bei 50 Prozent über der ortsüblichen Miete geht man von einem „auffälligen Missverhältnis“ aus. Wer mit einem verlotterten Einfamilienhaus im Emsland, das mit 600 Euro mehr als „gut“ vermietet wäre, 3.000 Euro monatlich für 150 qm von ausländischen Arbeitnehmern abkassiert, könnte durchaus mit einer Freiheitsstrafe auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden. Das würde viele nachdenklich machen … Eine Stufe darunter greift § 5 Wirtschaftsstrafgesetz 1954. Es lohnt sich, den Tatbestand zu lesen: (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. (2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. Das ist geltendes Recht. Man muss es nur anwenden. Sieht man das alles zusammen, dann wäre ein Verbot der Zeitarbeit für die Fleischbranche ineffizient. Das geltende Recht muss schlicht angewendet werden. Mehr Schutz brächte ein Verbot der Zeitarbeit nicht. Der Eingriff in die Berufsfreiheit, den ein solches Verbot darstellt, wäre folglich verfassungswidrig. Europarechtlich gilt das gleiche. Legale Zeitarbeit, die nach der Richtlinie gestaltet ist, kann nicht verboten werden. Ergebnis: Es ist ein lobenswerter Plan, den Arbeitnehmern in der Fleischbranche zu besseren Arbeits- und Wohnbedingungen zu verhelfen. Das kann man aber sehr viel effizienter tun. Das sektorale Verbot der Arbeitnehmerüberlassung wäre ein Bärendienst. Prof. Dr. Peter Schüren ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht an der Westfälische-Wilhelms-Universität Münster. Im Rahmen seiner Professur für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht forscht Prof. Schüren mit den Schwerpunkten Fremdfirmenpersonaleinsatz (u. a. Scheinselbständigkeit, legale und illegale Arbeitnehmerüberlassung) und bedarfsorientierte Arbeitszeitformen. www.jura.uni-muenster.de/de/apps/personenliste/prof-dr-peter-schueren/
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