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Zdirekt! 02-2020

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34 TITELTHEMA Traumarbeitsplatz? Homeoffice! Neben „Corona”, „Hamsterkauf“ und „Social Distancing“ wird wohl auch „Homeoffice“ auf den vorderen Plätzen bei der Wahl des (Un-)Wortes des Jahres 2020 landen. Jeder dritte Beschäftigte ist in der Coronakrise ins Homeoffice gewechselt, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Basis des Sozio-ökonomischen Panels ermittelte. Bis dato hatten nur 12 Prozent gelegentlich oder immer den heimischen Schreibtisch genutzt. So wie Jessica Hinz aus Kiel. Die 37-Jährige arbeitet jetzt auch als Zeitarbeitnehmerin von zu Hause. 7.30 Uhr an einem Dienstagmorgen in Kiel: Mittlerweile wie selbstverständlich öffnet Jessica Hinz die Tür zu ihrem Heimbüro. Wie auch an jedem anderen Tag „vor Corona“ hat sich die Groß- und Außenhandelskauffrau fertig gemacht. „Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich ins Büro gehe oder von zu Hause aus arbeite. Warum sollte ich hier jetzt im Bademantel sitzen?“ Außerdem steht auch heute eine Videokonferenz an. Hinz ist seit sechs Jahren beim iGZ-Mitgliedsunternehmen Nazareth Personal GmbH angestellt. Seit Ende des vergangenen Jahres ist sie an die Provinzial überlassen. Bei der Versicherungsgesellschaft in Kiel ist Hinz im IT-Einkauf tätig und bucht Rechnungen. „Die Provinzial hat schon vor der Coronakrise weitestgehend papierlos gearbeitet, daher war der Wechsel ins Homeoffice nahezu problemlos“, sagt die gebürtige Kielerin. Für die festangestellten Kollegen bei der Provinzial gab es schon vor der Krise die Möglichkeit, einen Teil ihrer Arbeitszeit von zu Hause tätig zu sein. „Für Zeitarbeitnehmer galt diese Regelung aber nicht, daher bin ich jetzt sehr froh, dass ich nicht ins Büro muss und von hier aus arbeiten kann.“ Ihr Hobbyraum ist nun seit März Hinz‘ Heimbüro. Und auch ihre zwei Hunde wissen: Wenn Frauchen die Bürotür hinter sich zumacht, heißt es, ab ins Körbchen und still sein. Dafür gibt’s dann in der Mittagspause einen Spaziergang um den Block. „Pause ist Pause – da logge ich mich am Computer aus, stelle das Telefon um und bin auch nicht erreichbar. Mittagessen am Bildschirm? Nein, das gibt es bei mir nicht.“

Z direkt! 02/2020 TITELTHEMA 35 SOZIALE KONTAKTE FEHLEN Was fehlt, ist der soziale Kontakt, mal die Mittagspause zusammen zu verbringen oder sich einfach bei einem Kaffee auszutauschen. „Viele meiner Kollegen leiden unter der Isolation. Für mich ist das nicht so schlimm. Ich bin aber auch eher ein stiller Mensch und sehr aufgabenorientiert. Selbst im Büro mache ich eher die Tür zu, um ruhig und konzentriert arbeiten zu können“, gibt Hinz verschmitzt zu. „Meine Kollegen und ich tauschen uns jeden Morgen digital per Videochat aus und besprechen den Tag und was so anliegt. Wir sprechen aber auch über Privates.“ Reden hilft bekanntlich – und dass Menschen unterschiedlich arbeiten und ticken ist auch nichts Neues. „Das mag paradox klingen, aber mir persönlich kommt die Situation entgegen,“ sagt Hinz. „Ich bin Zuhause viel produktiver.“ Das hängt allerdings auch mit der Selbstdisziplin der 37-Jährigen zusammen. „Klar, habe ich gerade am Anfang auch mit dem Gedanken gespielt, noch mal eben das ein oder andere im Haushalt zu machen, Wäsche aufzuhängen oder so etwas. Aber das ist nicht meine Art und fällt auch irgendwann unter dem Strich auf. Denn dann schaffe ich auch mein Arbeitspensum nicht.“ PRODUKTIVER ODER ZU VIEL ABLENKUNG? So wie Hinz geht es aber längst nicht allen Heimarbeitern. Bei der Umfrage des DIW gab jeder Zehnte an, dass er zu Hause mehr Arbeit erledigen kann als im Büro. 40 Prozent der Betroffenen machen aber die gegenteilige Erfahrung: Sie schaffen weniger. Die Forscher des DIW vermuten, dass dies daran liegt, dass Schulen und Kindergärten lange geschlossen waren und viele Kinder 24 Stunden am Tag von ihren Eltern betreut werden mussten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plant, per Gesetz ein Recht auf das Arbeiten von zu Hause zu schaffen. Wer möchte, soll demnach auch nach der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeiten können. HOMEOFFICE UND HOME OFFICE Homeoffice ist international nicht immer gleichbedeutend mit dem Arbeiten von zu Hause. Wer beispielsweise in Großbritannien vom „Home Office“ spricht, meint eine Institution, die in der 2 Marsham Street, London SW1P4DF, beheimatet ist: jenen Teil der Regierung, der sich mit der Inneren Sicherheit wie der Bekämpfung von Verbrechen, von Drogenhandel und Terrorismus beschäftigt. Wer also als deutscher Büroangestellter in seiner englischsprachigen Abwesenheitsnotiz schreibt, dass er im „Homeoffice“ zu erreichen ist, sorgt bei seinen britischen Kontakten für Verwirrung. Im angelsächsischen Raum heißt das Arbeiten von zu Hause „remote working“, „teleworking“ oder „working from home“. In den USA wiederum steht „home office“ für die Firmenzentrale. Amerikaner, die von zu Hause aus arbeiten, sind „remote employees“ bzw. „home-based“ oder machen „off-site work“. FLEXIBEL AUCH NACH CORONA 16.30 Uhr in Kiel: Für diesen Dienstag hat es Jessica Hinz geschafft, alle Buchungen sind erfasst und angewiesen. Zufrieden drückt Hinz auf den Abmeldeknopf, klappt den Laptop zu, stellt das Telefon um – und macht die Tür zu ihrem Heimbüro zu. Jetzt gilt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit erstmal nur noch ihren beiden Hunden. „Für heute ist’s genug. Aber generell kann ich mir ein Arbeiten von zu Hause auch auf lange Sicht vorstellen. Ich kann die Zeit nutzen, die ich sonst für den Weg zur Arbeit brauche – das sind immerhin 45 Minuten pro Tag. Und ich will mir gar nicht vorstellen, wie viel wir alle für den Umweltschutz tun könnten, wenn wir nicht jeden Tag mit Auto oder Bus ins Büro müssten. Ich hoffe sehr, dass ich auch nach der Coronakrise von zu Hause arbeiten kann und vielleicht nur einen Tag in der Woche ins Büro fahre. Für mich wäre das ideal und ein Traumjob. Und wer lieber im Büro arbeitet, der kann das ja auch tun. Wenn die Krise uns allen mehr Flexibilität bringt, wäre es zumindest ein positiver Effekt bei all den Restriktionen und Nachteilen.“ SaS

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