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Zdirekt! 01-2022

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26 TITELTHEMA Gastbeitag

26 TITELTHEMA Gastbeitag Markendehnung? Oder wann braucht es eine neue Marke? „Schuster bleib bei deinen Leisten“ – es gibt kaum einen Ausspruch, der bei der strategischen Kernfrage der Markendehnung, also der Ausdehnung mit einer Firma in einen neuen Bereich, öfter fällt. Es gibt gute Gründe, bei seinen Leisten zu bleiben. Doch Personalberatung und Personalvermittlung sind lukrative Betätigungsfelder, die zusätzliches Wachstum, aber vor allem neue Renditen liefern können. Es stellt sich die Frage: Gründe ich eine neue Marke oder dehne ich meine bestehende? ERFOLGSPRINZIPIEN STATT PAUSCHALER ANTWORT Wer bei dieser hochstrategischen Frage nach dem einen pauschalen Weg und einer Standardantwort sucht, wird enttäuscht. Markendehnungen gelten nicht umsonst als Königsdisziplin in der strategischen Markenführung, denn eine Vielzahl an Variablen und Parametern müssen berücksichtigt werden, um die richtige Entscheidung zu treffen. GLAUBWÜRDIGKEIT Die zentrale Fragestellung bei der Markendehnung ist die der Glaubwürdigkeit. Stehe ich ausschließlich für das Thema Zeitarbeit oder kann ich glaubwürdig und nachvollziehbar in andere Bereiche hineinwachsen? Hierbei empfiehlt sich ein Blick auf die eigenen Stärken und Erfolgsmuster. Ergeben diese eine Möglichkeit, einen glaubwürdigen Bezug herzustellen, können sowohl Kunden als auch die eigenen Mitarbeiter die Weiterentwicklung besser nachvollziehen und auch umsetzen.

Z direkt! 01/2022 TITELTHEMA 27 FANS In Zeiten, in denen jedes Unternehmen von Kundenorientierung spricht, ist es gelernt, Kunden auch bei strategischen Fragen einzubinden. Zu oft wird hier auf eine quantitative Marktforschung zurückgegriffen. Diese liefert zwar eine Quasi-Sicherheit aufgrund der oftmals großen Stichprobe, ist aber zugleich aufwendig, kostenintensiv und die Ergebnisse müssen sorgfältig interpretiert werden. Wenig verbreitet sind dagegen qualitative Untersuchungen, bei denen mit einem Kundenstamm gesprochen wird, der das Unternehmen nicht nur gut kennt, sondern auch schätzt – das sind die sogenannten Fans. Persönlich geführte Gespräche bieten die Möglichkeit in die Tiefe zu gehen, Antworten besser einzuordnen und somit eine stärkere Aussagekraft für die Entscheidungsfindung zu generieren. Wenn Fans den Daumen senken, bedeutet das noch nicht das Ende der Expansionspläne, aber es sensibilisiert Unternehmen für die genaue Umsetzung, Kommunikation und Erklärung der Dehnung. DIE METAPHER DER REGAL-METER In der Konsumgüterindustrie, in der Marken am hemmungslosesten gedehnt und neu gegründet werden, gibt es die Metapher der Regal-Meter. Diese besagt: Eine neue Marke gibt die Möglichkeit, im Handel weitere „Regalmeter“ für sich zu gewinnen, weil beispielsweise andere Preispunkte besetzt und somit auch andere Kundengruppen angezogen werden. Gleiches kann auch auf die Zeitarbeitsbranche übertragen werden. Schaffe ich es mit meiner bestehenden Marke, überhaupt in das neue Regal der Personalvermittlung oder Beratung? WETTBEWERB Und da wäre natürlich der Wettbewerb: Allein die bewusste Auseinandersetzung mit Markt und Wettbewerb führt erfahrungsgemäß zu spannenden Diskussionen. Wer ist tatsächlich der Wettbewerber? Welche neuen Wettbewerber kommen auf das Tableau, wenn die Kategorie Zeitarbeit verlassen wird? Mit wem möchte sich die Marke wirklich vergleichen? Durch die Wettbewerbsanalyse wird zutage gefördert, welche sogenannten Hygiene-Faktoren auch bei der Dehnung geliefert werden müssen, weil diese zum Standard in der neuen Kategorie gehören. Diese Fragen liefern eine gute Entscheidungsgrundlage. Bleibt die Marke besser bei den zitierten Leisten? Oder wird expandiert? Sollte Letzteres der Fall sein, stellt sich die spannendste Frage: Gründe ich eine neue Marke oder dehne ich meine Bestehende? GEFAHREN DER MARKENDEHNUNG UND WARUM DIE EIGENE SCHUBLADE AUCH SCHÖN SEIN KANN Unabhängig von der finalen Entscheidung bleiben in beiden Fällen Risiken: Entscheidet sich die Marke für eine Ausgründung, entsteht beträchtlicher Aufwand für die notwendige Vermittlung und Kommunikation mit den neuen Zielgruppen. Diese sind auf den ersten Blick bei einer Markendehnung niedriger, denn es muss keine neue Marke etabliert und bekannt gemacht werden. Dafür bleibt allerdings das Restrisiko der Glaubwürdigkeit. Nimmt mir der neue Kunde die Dehnung meiner Marke ab, und bin ich vor allem in der Lage unter einer gedehnten Marke, die nah an der bestehenden Marke bleibt, die notwendigen neuen, vom Markt erwarteten Spitzenleistungen zu liefern? Oder verwässert zum Beispiel die bestehende Positionierung in der Kategorie Zeitarbeit die „Premium-Leistung“ in der Beratung und in der Vermittlung. Hierzu gibt es zum Abschluss noch drei kurze Tipps: 1. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter bereits im Entscheidungsprozess und auch im Analyseprozess, dadurch wird die Umsetzungswahrscheinlichkeit gesteigert. 2. Testen Sie erste Ideen und Ansätze am Markt, bevor Sie wirklich live gehen. 3. Lernen Sie Ihre Schublade lieben. In der Markenführung gilt das Prinzip, dass Marken durch Fokussierung wachsen und nicht durch Ausdehnung, und dass Wachstumsfelder in den Rändern liegen. Deshalb könnte eine andere Variante zu nachhaltigem Erfolg führen: weiter in der Kategorie Zeitarbeit zu bleiben und sich hier in die Tiefe ausdehnen, statt den gleichen Weg zu gehen, den derzeit viele Marktteilnehmer wählen. COLIN FERNANDO ist Partner bei der Managementberatung Brand Trust (www. brand-trust.de). Als Experte für Markenanalysen, die strategische Optimierung von Markenportfolios und die Implementierung von Markenstrategien begleitet er Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen auf ihrem Weg zu anziehungsstarken, zukunftsorientierten Marken. Fernando gibt sein Markenwissen als Dozent, Referent und Autor von Fachbeitragen weiter.

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