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Zdirekt! 01-2020

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22 TITELTHEMA Vision III

22 TITELTHEMA Vision III Keine Zeitarbeitsverbote in Pflege und Bau Wir kennen es seit Jahren und leben damit: Zeitarbeitnehmer dürfen nicht im Bauhauptgewerbe eingesetzt werden. Diese Regel besteht, seit sie 1982 im Zuge einer umfassenden Reform im damaligen Arbeitsförderungsgesetz eingefügt wurde. Über den Status einer exotischen Sonderregel ist dieses Verbot allerdings nie hinausgekommen. Es hat immer mal wieder Anläufe und Versuche gegeben, dieses sogenannte sektorale Verbot der Zeitarbeit rückgängig zu machen. Denn die Begründung zur Einführung des Gesetzes (siehe Kasten) dürfte spätestens nach dem Inkrafttreten der neuen Tarifverträge in der Zeitarbeit und vor dem Hintergrund der aktuellen Branchenrealitäten endgültig weggefallen sein. Da gemäß des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mittlerweile ohnehin bei einem Zeitarbeitseinsatz die Arbeitsbedingungen der Baubranche beachtet werden müssten, ist die zentrale Begründung für das Verbot entfallen. Einen erneuten Anlauf vor dem Bundesverfassungsgericht hat aber trotzdem niemand mehr gewagt. Zu sehr hatte sich die Branche mit diesem Verbot arrangiert, zu wenig schmerzte es tatsächlich. Das hat sich nun geändert – gar nicht so sehr, weil das Bauhauptgewerbe als Einsatzbereich mehr vermisst wird als vorher, sondern vielmehr durch die aktuelle Diskussion um ein Verbot der Zeitarbeit in der Pflege. Denn in diesem Zusammenhang hat nun die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci in ihrer Bundesratsinitiative zum Zeitarbeitsverbot in der Pflege beim Einsatzverbot im Bauhauptgewerbe abgeschrieben. Genau dieses exotische Zeitarbeitsverbot soll nun unter Umständen als Blaupause für weitere Verbote dienen. „Das ist der Grund, wieso wir unsere verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich des Verbots der Zeitarbeit im Bauhauptgewerbe gerichtlich überprüfen lassen wollen“, erklärt der iGZ-Bundesvorsitzende Christian Baumann. Schließlich gehe es darum, einen Dammbruch zu verhindern:

Z direkt! 01/2020 TITELTHEMA 23 „Wenn es erst einmal sektorale Verbote im Bauhauptgewerbe und in der Pflege nach demselben gesetzgeberischen Muster gibt, ist die Gefahr ziemlich groß, dass weitere Branchen folgen werden“, so Baumann. WER GESCHÜTZT WERDEN SOLL Dabei sind die Motive für die Verbotsdiskussionen in beiden Branchen absolut nicht vergleichbar. Während das Verbot im Bauhauptgewerbe der Eindämmung von Schwarzarbeit dienen sollte, geht es in der Pflegediskussion darum, die Besserstellung der Zeitarbeitnehmer zulasten der Gesundheitseinrichtungen zu reduzieren. Oder anders gesagt: Während das Verbot im Bauhauptgewerbe zumindest bei seinem Inkrafttreten die Zeitarbeitnehmer schützen sollte, sollen nun die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege vor der Zeitarbeit geschützt werden. Die Verwirrung in der Branche ist groß. Stand man bislang im Fokus der Kritik, wenn die Arbeitsbedingungen schlechter waren als die in den Einsatzbranchen, wird nun aus denselben politischen Lagern kritisiert, dass die Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit besser sind, als in der Pflege. Die Kritiker beklagen konkret, dass angesichts des Fachkräftemangels ein Ausweichen in die Zeitarbeit zu mehr Kosten für die Pflege-Einrichtungen führt. Aufgrund der hohen Nachfrage bei den Einrichtungen könnten sich Pflegekräfte in der Zeitarbeit ihre Schichten mehr oder weniger frei aussuchen. Lästige Nachtschichten könnten so vermieden werden und gingen zulasten der Stamm-Pflegekräfte, so der Vorwurf. Eine weitere Behauptung lautet pauschal und weitestgehend unbegründet: Die Qualität der Pflege sinke durch den Einsatz von Zeitarbeit. ZEITARBEIT UNTERSTÜTZT PFLEGE IN DER KRISE Christian Baumann weist diese Vorwürfe zurück. Er ist dieser Tage viel unterwegs und setzt sich auf Veranstaltungen und in Hintergrundgesprächen mit den Befürwortern des möglichen Verbots direkt auseinander. „Wir halten die Menschen in der Pflege“, argumentiert er. Es werde immer so getan, als sei die Menge der Pflegerinnen und Pfleger konstant und es könne per Gesetz geregelt werden, in welchen Anstellungsformen diese zu arbeiten haben. Das sei aber falsch: „Viele Menschen sind von den Arbeitsbedingungen in der Pflege so geschlaucht, dass sie auf dem Absprung sind. Für diese Menschen lautet die Option häufig nicht Zeitarbeit oder Festanstellung, sondern Zeitarbeit oder gar nicht mehr in der Pflege.“ Den Verlust der Pflege-Qualität hält er für an den Haaren herbeigezogen: „Die Abläufe sind heute in Gesundheitseinrichtungen so standardisiert – da wird keine OP-Schwester die falschen Dinge anreichen, nur weil sie seit zwei Tagen erst dabei ist. Im Gegenteil: Die Einrichtungen werden von der Flexibilität der Zeitarbeitskräfte profitieren“, ist sich Baumann sicher. Der iGZ und sein Bundesvorsitzender beklagen aber nicht nur die Zustände. Der Verband bereitet sich darauf vor, aktiv gegen die Verbote vorzugehen: Aktuell lässt der iGZ in zwei Rechtsgutachten die Frage der Zulässigkeit eines Verbots in der Pflege und der Verfassungswidrigkeit des Verbots im Bauhauptgewerbe prüfen. MS Begründung des Verbots der Zeitarbeit im Bauhauptgewerbe aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung von 1981 „Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung wird für den Bereich der Bauwirtschaft verboten, weil sich dort unter den besonderen Bedingungen der Tätigkeit häufig wechselnder Arbeitnehmer auf wechselnden Baustellen unter dem Deckmantel der zugelassenen Arbeitnehmerüberlassung der illegale Arbeitskräfteverleih ausgedehnt hat. (…) 1980 waren in der Bauwirtschaft ungefähr 6.000 legale Leiharbeitnehmer tätig; die Zahl der illegalen Leiharbeitnehmer liegt erheblich höher. Die relativ hohe Zahl der legal und illegal tätigen Leiharbeitnehmer führt vornehmlich im Baugewerbe zu besonders nachteiligen Auswirkungen. Auf Leiharbeitnehmer finden die Tarifverträge des Wirtschaftszweiges, in dem sie eingesetzt werden, keine Anwendung. Daher bleibt ein bedeutender Teil der im Baugewerbe tatsächlich tätigen Arbeitnehmer vom sozialen Schutz der auf ihre Tätigkeit zugeschnittenen tariflichen Regelungen ausgeschossen. Diese Arbeitnehmer erhalten insbesondere keine Leistungen von den Sozialkassen der Bauwirtschaft, der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse und der Zusatzversorgungskasse.“

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