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Zdirekt! 00-2015 Extra zum 4. Potsdamer Rechtsforum

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Z direkt! Extra Prof. Dr. Gregor Thüsing, Universität Bonn „Nicht verfassungskonform“ „Wieso Höchstüberlassungsdauer, wenn zwingend Equal Pay gilt?“, fragte Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard), Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn, die Teilnehmer des Potsdamer Rechtsforums im Rahmen seines Vortrags „Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer im Spannungsfeld von tariflicher Umsetzung und gesetzlicher Doktrin“. Kunden zu überlassen. Dann gelte das Gebot der gleichen Bezahlung erst wieder nach neun Monaten. Durch den Arbeitnehmerschutz würde dann der Zeitarbeitnehmer die ihm zustehenden Equal Pay-Arbeitsbedingungen erst einmal wieder verlieren. Der Schutz der Stammbelegschaft rechtfertige ebenfalls keine Höchstüberlassungsdauer. Im Kundenunternehmen müssen Zeitarbeitnehmer nach der Rechtsprechung zuerst abgezogen werden, bevor eine betriebsbedingte Kündigung des Stammpersonals möglich ist. Also sei das Gegenteil der Fall – der Einsatz von Zeitarbeitnehmern schütze die Stammbeschäftigten. Prof. Dr. Gregor Thüsing, Universität Bonn Mit chirurgischer Präzision sondierte er die im Koalitionsvertrag geplanten weiteren Regulierungen der Zeitarbeitsbranche und stellte deren Logik in Frage. Seiner Ansicht nach sei die Einschränkung der Überlassungsdauer auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Ein kategorisches Verbot nicht-vorübergehender Zeitarbeit liege nicht im Interesse des Arbeitnehmers. Es sei unlogisch, dass es verfassungsrechtlich unzulässig sein solle, dass derselbe Arbeitnehmer über zwei Jahre hinweg zu gleichen Lohnbedingungen wie die Stammbelegschaft beim selben Kundenunternehmen eingesetzt werde. Andererseits solle es dagegen zulässig sein, dass ein Zeitarbeitnehmer unter Equal Pay- Niveau jede Woche in einem anderen Betrieb eingesetzt werde – und das dann womöglich auch über 20 Jahre hinweg. „Wenn der Gesetzgeber im ersten Fall nicht eingreifen muss, dann sicherlich auch nicht im zweiten“, unterstrich Thüsing. Hinzu komme, dass bei Erreichen der Höchstüberlassungsgrenze von 18 Monaten die Alternative bestehe, den Zeitarbeitnehmer kundenseitig einzustellen oder ihn an einen anderen „Wer die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Höchstüberlassungsbeschränkung postuliert, der müsste sagen, wie lang diese Höchstüberlassung dauern dürfte. Gleiches gilt hier für die europarechtliche Herleitung. Diese aber herzuleiten ist unmöglich“, stellte der Experte sachlich fest. Laut Teilzeit- und Befristungsgesetz sei es möglich, die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung oder beides festzulegen. Dies sei aber nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten unter anderem der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck des Teilzeit- und Befristungsgesetzes eine Beschränkung der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Mit Blick auf die Dauer der Arbeitsverträge der Überlassung an die Kundenunternehmen verwies Thüsing zudem darauf, dass die EU-Richtlinie über die Zeitarbeit gelte. Das sei unabhängig davon wirksam, ob die Zeitarbeitnehmer im Rahmen eines befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrags eingestellt werden. Thüsing: „Die Richtlinie sieht keine Beschränkung der Dauer der Arbeitnehmerüberlassung an die entleihenden Unternehmen vor.“ Wolfram Linke 8

Extra Z direkt! Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Gleiss Lutz Stuttgart Zerrbildern widersprochen „Angesichts der Vorhaben drängt sich der Verdacht auf, der Gesetzgeber will auf Druck der Gewerkschaften die legale und verfassungsrechtlich geschützte Fremdvergabe von Aufgaben durch bürokratische Hemmnisse und Verschärfung rechtlicher Risiken unattraktiv machen“, machte Prof. Dr. Jobst- Hubertus Bauer, Gleiss Lutz Stuttgart, seinem Ärger Luft. „Deutschland hat sehr starre Arbeitsrechtsgesetze“, stellte er während seines Impulsvortrages beim 4. Potsdamer Rechtsforum fest. Das sei gerade für mittlere und kleinere Arbeitgeber in Deutschland ein Einstellungshindernis. Dennoch drohen weitere oder „prekärer“ Beschäftigung. „Dadurch entstehen Zerrbilder, die einige wichtige Aspekte nicht berücksichtigen“, widersprach Bauer dieser Darstellung. Zunächst einmal würde ja niemand gezwungen, in der Zeitarbeit oder in Teilzeit zu arbeiten. Die Aufnahme einer solchen Tätigkeit erfolge noch immer freiwillig. Außerdem unterlägen auch diese Beschäftigungsformen dem Arbeitsrecht – anders als die Bezeichnung prekär vermuten lasse. Für viele sei ein befristetes Arbeitsverhältnis oder eine Beschäftigung in der Zeitarbeit der Einstieg in die Erwerbstätigkeit. Anders als die Berichterstattung es manchmal vermuten lasse, sei der Anteil der flexibel Beschäftigten konstant. Der Anteil der „Normalarbeitnehmer“ an der Gesamtbevölkerung sei zwischen 2006 und 2013 sogar gestiegen. Insgesamt trügen Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, Werkverträge oder Minijobs zur Erhöhung der Flexibilität des Arbeitsmarktes bei. „Sie sind jedenfalls keine Achse des Bösen“, betonte der Experte im Arbeitsrecht. Ganz im Gegenteil seien diese Formen sogar verfassungsrechtlich weitgehend geschützt. Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Gleiss Lutz Stuttgart Einschränkungen der Flexibilität in Form des neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. „Die Wirtschaft braucht mehr Flexibilität – Was macht die Politik daraus?“, lautete daher auch der Titel seines Impulsvortrages. Flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, Dienstund Werkverträge, Befristung, Teilzeit und Minijobs würden durch Gewerkschaften und Politik häufig negativ etikettiert. Da sei die Rede von „atypischer“ Dennoch plant die Bundesregierung die weitere Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung. Neben einer Begrenzung der Höchstüberlassungsdauer soll eine gesetzliche Equal Pay-Regelung eingeführt werden. „Meines Erachtens nach können diese beiden Regelungen nicht nebeneinander stehen. Wenn der Grundsatz von Equal Pay gilt, warum soll die Einsatzdauer dann noch beschränkt werden?“, konnte er den Gedankengang des Arbeitsministeriums nicht nachvollziehen. Das könne auch nicht mit der Idee des Arbeitnehmerschutzes begründet werden. Maren Letterhaus 9

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