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Zdirekt! 00-2015 Extra zum 4. Potsdamer Rechtsforum

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Z direkt! Extra RA Stefan Sudmann, Leiter iGZ-Referat Arbeits- und Tarifrecht Verbot der Überlassung ins Bauhauptgewerbe zulässig? Beschränkungen der Zeitarbeit wie das Bauhauptgewerbeverbot oder das Gebot der nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung sind vermutlich europarechtswidrig. Dies soll angesichts des EuGH-Urteils vom 17. März 2015 in der Rechtssache EuGH C-533/13 beleuchtet werden. Außerdem stellt sich die Frage des gerichtlichen Vorgehens im Falle eines Verstoßes gegen Europarecht. Grundsätzlich verboten ist die Überlassung in das Bauhauptgewerbe innerhalb Deutschlands. Eine Überlassung an inländische Baubetriebe ist nur erlaubt, wenn das überlassende Unternehmen ebenfalls ein Baubetrieb ist und dieselben Bautarifverträge anwendet. Ausländische Baubetriebe müssen, wenn sie zulässigerweise überlassen wollen, statt einer Bindung an deutsche Bautarifverträge lediglich eine dreijährige Tätigkeit im Baubereich nachweisen. Baubetrieb im Ausland Umstritten ist, ob auch ein Verbot in der Konstellation „Baubetrieb im Ausland, Einsatz des Mitarbeiters in Deutschland“ besteht. Dies hängt davon ab, ob man den Einsatz des Mitarbeiters für den Inlandsbezug und damit für die Geltung des § 1b AÜG ausreichen lässt oder ob man einen ausreichenden Bezug zum räumlichen Geltungsbereich des § 1b AÜG nur annimmt, wenn auch der Kunde (Baubetrieb) in Deutschland ist. Die Bundesagentur für Arbeit lässt es in der aktuellen Geschäftsanweisung zum AÜG vom 1. Juli 2015 jedenfalls ausreichen, dass der Zeitarbeitnehmer auf deutschem Territorium eingesetzt ist. Zulässig ist hingegen die Überlassung an einen Baubetrieb im Ausland oder Inland, der die Zeitarbeitnehmer im Ausland einsetzt, denn gemäß dem Territorialitätsprinzip entfaltet das Verbot im Ausland keine Wirkung. Verbot nicht zielführend Gemäß Artikel 4 Abs. 1 der Zeitarbeitsrichtlinie 2008/104 sind Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Zeitarbeit nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Hierzu zählen vor allem der Schutz der Zeitarbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz oder die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten. Ist das Bauhauptgewerbeverbot zur Erreichung dieser Schutzzwecke erforderlich? Wohl kaum. Es gibt mildere Mittel die Schutzzwecke zu erreichen als dasjenige, eine Zielbranche vollständig für die Zeitarbeit zu sperren. Denkbar ist die Unterwerfung der Zeitarbeitsunternehmen unter dieselben Mindestlohnund Sozialkassentarifverträge wie die Baubetriebe. Dies geschieht ja auch bereits, wo Zeitarbeitnehmer mit Bautätigkeiten im für Zeitarbeit geöffneten Baunebengewerbe beschäftigt werden. Ein weiteres Mittel sind stärkere Kontrollen seitens der zuständigen Behörden. Auch der Blick ins Ausland spricht für eine Aufhebung des Verbots: Andere europäische Ländern kennen ein solches Verbot nämlich nicht. In Österreich zum Beispiel ist eine Überlassung ins Bauhauptgewerbe erlaubt. Die dortigen Zeitarbeitsunternehmen müssen in die Bundesurlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) einzahlen und unterliegen den Lohnbedingungen des Bauhauptgewerbes. Bauhauptgewerbeverbot europarechtswidrig In seinem Schlussplädoyer in der Sache EuGH C-533/13 (Rz. 122) stellte der Generalanwalt fest,„dass bei Fehlen anderweitiger Rechtfertigungsgründe der Erlass von Maßnahmen mit dem Ziel, Missbräuche beim Abschluss von Leiharbeitsverträgen zu verhindern, nicht einen quasigenerellen Ausschluss dieser Arbeitsform, etwa den Ausschluss 14

Extra Z direkt! von Leiharbeit in einem ganzen Wirtschaftszweig oder die Festlegung einer Quote für solche Art Verträge, rechtfertigen kann. Eine Maßnahme, die die missbräuchliche Ausübung eines Rechts verhindern soll, darf nicht einer Versagung des fraglichen Rechts gleichkommen.“ Man kann also davon ausgehen, dass das Bauhauptgewerbeverbot gegen Art. 4 Abs. 1 der Zeitarbeitsrichtlinie verstößt, also europarechtswidrig ist. hierzu noch zum Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten in dieser Frage. Der Generalanwalt geht zwar in seinem Schlussplädoyer von einem weiten Ermessenspielraum bei der Erreichung der Ziele der Richtlinie 2008/104 aus. Jedoch erscheint jedenfalls die im Nationales oder europäisches Recht? Welchen Weg zeigt nun die Rechtssache C-533/13 auf, um gerichtlich gegen Einschränkungen und Verbote der Zeitarbeit wie das Bauhauptgewerbeverbot vorzugehen? Ein finnisches Arbeitsgericht hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Gerichte gegen Art. 4 Abs. 1 der Zeitarbeitsrichtlinie 2008/104 EG verstoßende nationale Vorschriften unangewendet lassen müssen. Überdies fragte das finnische Gericht, ob die Richtlinie den längerfristigen Einsatz von Zeitarbeitnehmern verbiete. Der EuGH beantwortete nur die erste Frage. Er entschied im Urteil vom 17. März 2015, dass sich Art. 4 Abs. 1 nur an die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats richtet. Mangels Überprüfungsrecht müssen die nationalen Gerichte demnach durchaus auch solche nationalen Bestimmungen anwenden, die anscheinend gegen Art. 4 Abs. 1 verstoßen. Überprüfungsverpflichtung Laut EuGH ergibt sich der festgestellte Adressat der Vorschrift aus der Systematik des Art. 4. Den Behörden sei dort auferlegt worden, bis zum 5. Dezember 2011 zu überprüfen, ob ungerechtfertigte Beschränkungen der Zeitarbeit vorlagen, und das Prüfungsergebnis mitzuteilen. Nur ihnen werde eine Überprüfungsverpflichtung auferlegt. Diese Prüfaufgabe könnten Gerichte gar nicht leisten. Die deutsche Zeitarbeitsbranche hatte sich von der Beantwortung gerade der zweiten Vorlagefrage eine Klärung des unbestimmten Begriffs der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG bzw. Hinweise zu der Frage erhofft, ob und unter welchen Rahmenbedingungen eine Höchstüberlassungsdauer europarechtlich zulässig ist. Der EuGH äußerte sich – aus seiner Sicht folgerichtig – weder Koalitionsvertrag vorgesehene Kombination aus 18 (Höchstüberlassung) und 9 (Equal Pay) Monaten unausgewogen und mit dem EU-rechtlichen Flexicurity- Gedanken nicht im Einklang. Die Konsequenz aus C-533/13: Art. 4 beschreibt nur den Rahmen der Regelungstätigkeit, innerhalb dessen sich der nationale Gesetzgeber und die Behörden bewegen dürfen. Es kann also sein, dass eine ungerechtfertigte Regelung bis zum 5. Dezember 2011 nicht aufgehoben oder nicht ausreichend angepasst wurde. Da aber die Gerichte nicht Adressat der Vorschrift sind, müssen sie die möglicherweise ungerechtfertigten Beschränkungen trotzdem anwenden. EuGH-Urteil nicht zwangsläufig Der Weg des Vorlageverfahrens vor dem EuGH war rückblickend der falsche Weg. Die Sichtweise des EuGH war jedoch nicht zwangsläufig. Sogar der Generalanwalt hatte in seinem Schlussplädoyer eindeutig die Auffassung vertreten, dass die nationalen Ge- 15

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