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Zdirekt! 01-2021

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8 TITELTHEMA Augen zu

8 TITELTHEMA Augen zu und durch Die große Pleitewelle ist in Deutschland bislang ausgeblieben – dank der diversen Rettungspakete und der aufgeweichten Insolvenzregeln. Aber fast jedes fünfte Unternehmen in Deutschland fürchtet um seine Existenz, wie die neueste Konjunkturumfrage des Ifo-Instituts belegt. Im Gastgewerbe und in der Reisebranche wissen 80 Prozent der Betriebe nicht, wie lange es noch weitergeht. Und auch in der Zeitarbeitsbranche ist die Lage vieler Unternehmen nach zwölf Monaten Pandemie prekär. Nur wenige iGZ-Mitgliedsunternehmen konnten ihr Geschäft ausbauen. „Wir kämpfen ums nackte Überleben,“ macht Frank Luttmann von iGZ-Mitglied FLUXX Personalservice keinen Hehl aus der Lage des Delmenhorster Unternehmens. „Wir kommen noch gerade so zurecht. In diesem einen Jahr Corona haben wir 75 Prozent Einbußen gehabt. Von 360 Kundenunternehmen sind gerade noch 17 übriggeblieben, für die wir aktuell aktiv sind.“ Alle anderen seien in Kurzarbeit gegangen, hätten die Produktion drastisch heruntergefahren, komplett dicht gemacht oder ihre Standorte ins Ausland verlegt. Für Geschäftsführer Luttmann hatte das zur Folge: internes Personal stark reduzieren und die FLUXX-Niederlassungen in Bremen und in Cloppenburg schließen. „Wir mussten unsere Fixkosten sehr stark minimieren, um über die Runden zu kommen“, erklärt Luttmann, der seit 25 Jahren in der Zeitarbeitsbranche tätig ist. Seine Mitarbeiter gehen vor allem auf Montage und warten und überarbeiten Industrieanlagen, wenn sie stillstehen. Eine derartige Krise wie in den vergangenen Corona-Monaten habe er noch nie erlebt: „Wir haben sehr gute Facharbeiter aus Kroatien und Slowenien, mit denen wir schon seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Als der erste Lockdown kam, sind diese Facharbeiter alle in ihre Heimat zurückgekehrt und seit einem Jahr versuche ich, sie wieder nach Deutschland zu holen. Aber die Einschränkungen und die Grenzschließungen machen das nahezu unmöglich.“ Die zwölf Monate Coronapandemie haben auch bei Manuela Steindl und ihrer Steindl Personalmanagement GmbH starke Spuren hinterlassen. Das Münchener Unternehmen überlässt normalerweise rund 70 Mitarbeiter an Kunden im kaufmännischen, gewerblichen und medizinischen Bereich. „Zu Beginn der Krise hatten wir noch Glück. Da haben wir mit einer Firma zusammengearbei- Frank Luttmann

Z direkt! 01/2021 TITELTHEMA 9 Michael Mönke tet, die Desinfektionsmittel hergestellt hat“, erinnert sich Steindl zurück. „Aber jetzt gibt es kaum noch Aufträge und ich beschäftige aktuell nur noch zehn Mitarbeiter.“ Die Münchenerin versucht daher, querfeldein Kalt-Akquise zu betreiben, was aber sehr aufwendig, mühsam und bisher auch nicht sehr erfolgreich gewesen sei. Finanzielle Förderungen aus den Staatstöpfen hat Steindl noch nicht in Anspruch genommen. Wie es weitergeht? „Ich wage es nicht, eine Prognose zu stellen – das hängt sehr davon ab, was die Regierung entscheidet und wie lange der Lockdown und die Beschränkungen dauern.“ Von Überlebenskampf möchte Michael Mönke nicht sprechen. „Nein, so hart hat die Pandemie uns noch nicht getroffen“, beschreibt der Geschäftsführer die Situation seiner Firma. Die BS Mönke GmbH in Krefeld ist auf Lager und Logistik spezialisiert und überlässt überwiegend an mittelständische Industrieunternehmen sowie in den gewerblich-technischen und kaufmännischen Bereich. „Wir sind wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden. Denn wenn ich ehrlich bin: Wir hatten in der Zeitarbeit die zwei bis drei Jahre vor Corona richtig gute Jahre. Natürlich haben wir jetzt einen Rückschritt – aber wovon haben wir einen Rückschritt?“ Vor der Krise hatte Mönke bis zu 180 Mitarbeiter in der Überlassung und neun interne Angestellte, aktuell zählt der Geschäftsführer noch 120 externe und sechs interne Mitarbeiter. „Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten ein ständiges Auf und Ab erlebt. Wir hatten Kundenunternehmen, die hatten plötzlich doppelt so viel zu tun wie vor Corona, und andere Unternehmen hatten gar keine Aufträge mehr. Die von uns erwartete und benötigte Flexibilität hat da ganz neue Maße angenommen.“ Hilfreich in der Krise sei vor allem das Kurzarbeitergeld gewesen, auch wenn Mönke es nur für einige wenige interne Mitarbeiter und auch nur für einige Monate beantragt hat. Ähnlich sieht es Frank Luttmann, der für sein internes Personal Kurzarbeitergeld bezogen und auch andere Förderungen beantragt hat. „Die erste Förderung haben wir auch bekommen – aber das Land Niedersachsen hat uns nur die Hälfte der Summe zugestanden, obwohl wir aus unserer Sicht alle Anforderungen erfüllt haben. Aus der Überbrückungshilfe I haben wir nach langem Warten eine Zahlung erhalten. II und III haben wir beantragt, aber bisher ist leider noch kein Geld angekommen.“ Ähnliche Erfahrungen hat Michael Mönke gemacht: „Die finanziellen Hilfen der Regierung klingen in der Theorie sehr gut. In der Praxis ist mein Eindruck allerdings, dass die Gelder nicht rechtzeitig ankommen. Und wenn ich von dieser Unterstützung abhänge, stellt mich das vor große Probleme.“ In die Zukunft blickt Mönke eher positiv: „Ich bin tendenziell optimistisch eingestellt. Wenn die Wirtschaft runterfährt, dann wird der Bereich der Zeitarbeit und Personaldienstleistung als erstes reduziert. Aber gerade in einer unsicheren Phase greifen viele Unternehmen erst recht wieder auf die Zeitarbeit zurück. Das Geschäft ist immer noch da. Wir müssen uns aber auch umstellen und extrem flexibel sein.“ Es dürfe nur auf keinen Fall schlechter werden, betont Frank Luttmann: „Ich hoffe sehr, dass der Lockdown nicht noch verlängert wird. So wie es aktuell ist, kommen wir über die Runden. Aber wenn uns noch ein oder zwei weitere Kunden wegfallen – wie eventuell die Werften, die gerade große Schwierigkeiten haben – dann wird’s für uns ganz eng. Das ist aber ein Blick in die Glaskugel.“ SaS

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