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Ausgabe 4/2010:

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RECHTE UND PFLICHTEN

RECHTE UND PFLICHTEN FÜR DEN EINSATZ VON BEHINDERTEN Plant ein Zeitarbeitsunternehmen Behinderte zu beschäftigen, richtet es zunächst ein entsprechendes Angebot ans Stellen-Informations-System (SIS) der regional zuständigen Agentur und kreuzt das Kästchen Behinderte an. Nach AGG ist es auch zulässig, Stellen nur (!) für Behinderte auszuschreiben. Eindringlich ist zu empfehlen, die Stelle und die Anforderung an behinderte Bewerber möglichst genau zu beschreiben, um Fehlzuweisungen zu vermeiden. Das bezieht sich natürlich besonders auf die mögliche Formen der Behinderung und damit einhergehenden Einschränkungen. Was einfach beginnt, erweist sich leider in der Praxis oft als tückisch: Für die Bearbeitung von Zeitarbeitsanfragen ist der Arbeitgeber-Service (AGS) zuständig – und der arbeitet leider häufig nur wenig oder mangelhaft mit dem für die Integration Behinderter zuständigen Abteilung Rehabilitation zusammen. Ihm sind auch nicht alle bedeutenden Fakten zugänglich, besonders die Behinderung betreffend. Diese obliegen aus Datenschutzgründen ausschließlich letzteren. Zudem ist das Interesse des AGS Behinderte vorzuschlagen leider oft gering. Das mag verwundern, ist jedoch leider Realität. Hartnäckigkeit ist vonnöten. Für Vorstellungsgespräche mit Behinderten ist eindringlich „sparsames“ Vorgehen zu empfehlen – um beidseitig Enttäuschungen zu vermeiden. Generell gilt gerade bei Behinderung das Prinzip hoher Passgenauigkeit: Ist ein Bewerber nicht, kaum oder gerade noch geeignet, gilt: nicht einladen. Im Gespräch unverzichtbar: ein ehrlicher Austausch die Behinderung betreffend, es ist zu klären, ob sie einen Arbeitseinsatz erlaubt. Das gilt natürlich auch für den Entleiher, die Behinderung ist offen zu legen. Um Behinderte betrieblich zu erproben reichen in der Regel, je nach Grad und Art der Behinderung für Zeitarbeitszwecke zwei Tage bis eine Woche, in Ausnahmen bis zu vier (§ 46 SGB III). Die Einstellung Behinderter wird bei einem vorherigen Antrag auf Eingliederungszuschuss gefördert: für Behinderte bis zu 50 Prozent für 24 Mon. (§ 218 SGB III), für Schwerbehinderte bis zu 70 Prozent für 36 Mon. (§ 219 SGB III), bei besonders betroffenen über 50-Jährigen gar bis zu 60 Mon.; nach 12 Mon. ist er um 10 Prozent zu vermindern (sehr vereinfachte und verkürzte Darstellung). Bitte beachten: Eingliederungszuschüsse sind generell Kann-Leistungen, folglich vom Haushalt der Agentur abhängig. An dieser Stelle kann nur beiläufig erwähnt werden: Neben der Agentur oder ARGE gibt es weitere, mögliche zuständige Sozialversicherungsträger: Berufsgenossenschaft, Unfallver- sicherung, Rentenversicherung. Leider praktizieren alle unterschiedliche Regeln der Eingliederung und Förderung. Sie zahlen nur dann einen Zuschuss, wenn der Schwerbehinderte durch die Agentur als Reha-Fall anerkannt ist. Die Einrichtung eines – neuen – Arbeitsplatzes für Behinderte übernimmt das regionale Integrationsamt, und zwar 70 Prozent der Investitionskosten; technisch notwendige Arbeitshilfen die Agentur, und zwar in der Regel 100 Prozent. Behinderte mit mindestens 30 Prozent können einen Antrag auf Gleichstellung stellen, bspw. wenn sonst der Arbeitsplatz gefährdet ist, d.h. sie zählen dann als Schwerbehinderter. Der Arbeitgeber kann in Fällen, die besonderer Hilfe oder Aufwände bedürfen, bei der Agentur einen Antrag auf Mehrfachanrechnung stellen, d.h. der betreffende Schwerbehinderte zählt für zwei oder drei Plätze. Kommt ein Zeitarbeitsunternehmen seiner Beschäftigungspflicht Schwerbehinderter nicht nach, beschäftigt also pro zwanzig Mitarbeitern keinen solchen, ist dafür eine Fehlbelegungsabgabe von 260 EUR monatlich zu zahlen. Der Betrag verringert sich stufenweise ab 2 Prozent bis zu den besagten 5 Prozent. Will ein Zeitarbeitsunternehmen sich von einem behinderten Mitarbeiter trennen, so gelingt das während der Probezeit problemlos. Danach ist vorab die Zustimmung des regional zuständigen Integrationsamtes einzuholen mit einem Vorlauf von vier Wochen. Verantwortet die Trennung der Behinderte, stimmt jenes in der Regel zu, sonst ist eine ausführliche Begründung nötig. Die immer wieder vorgebrachte Befürchtung, Schwerbehinderte seien quasi unkündbar, ist falsch. Sicher gilt für sie ein besonderer Kündigungsschutz, doch ist das bei nachvollziehbarer Sachlage kein unüberwindbares Hindernis und erst recht kein Grund Behinderte nicht einzustellen. Die Gründung eines Integrationsunternehmens, einer -abteilung oder -firma setzt ein solch hohes Maß an Fachwissen voraus und auch solch hohe Auflagen – die meisten Integrationsämter setzen dafür hohe Hürden – sodass das Zeitarbeitsunternehmen kaum zu empfehlen ist und nur selten in Frage kommt. Alles in allem: Trotz aller Misslichkeiten und Unzulänglichkeiten bei der – fördertechnischen – Zuständigkeit der verschiedenen Kostenträger, lohnt gerade bei geringerer Bewerberzahl die Suche und Rekrutierung Behinderter. Dr. Klaus Enders Die Ausgleichsabgabe, auch als Schwerbehindertenabgabe oder Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe bezeichnet, ist eine Abgabe in Deutschland, die zu entrichten ist, wenn ein Betrieb nicht die im SGB IX gesetzlich vorgeschriebene Zahl von Schwerbehinderten beschäftigt. Gemäß Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Teil 2 Kapitel 2 Beschäftigungspflicht ist die Abgabe sowohl von privaten als auch von Arbeitgebern der öffentlichen Hand ab einer Betriebsgröße von 20 Mitarbeitern zu entrichten, wenn nicht mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Mitarbeitern besetzt sind. Die Höhe der Ausgleichsabgabe beträgt gemäß § 77 SGB IX je Monat und unbesetztem Pflichtplatz: 105 EUR bei einer Beschäftigungsquote ab 3 Prozent bis unter 5 Prozent 180 EUR bei einer Beschäftigungsquote ab 2 Prozent bis unter 3 Prozent 260 EUR bei einer Beschäftigungsquote unter 2 Prozent Ausnahmen bzw. besondere Regelungen existieren für kleinere Betriebe mit weniger als 60 Beschäftigten: Unternehmen mit weniger als 40 Arbeitsplätzen müssen einen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, andernfalls zahlen sie je Monat weiterhin 105 Euro. Unternehmen mit weniger als 60 Arbeitsplätzen müssen 2 Pflichtplätze besetzen; sie zahlen 105 EUR, wenn sie nur 1 Pflichtplatz besetzen, und 360 EUR (2 x 180 EUR), wenn sie keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Die Ausgleichsabgabe soll einen gerechten Ausgleich gegenüber den Arbeitgebern schaffen, die ihre Beschäftigungspflicht erfüllen und denen daraus, z. B. durch den gesetzlichen Zusatzurlaub und die behinderungsgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes, erhöhte Kosten entstehen. Darüber hinaus soll die Ausgleichsabgabe Arbeitgeber anhalten, ihre Beschäftigungspflicht zu erfüllen. 14 15

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