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Ausgabe 1/2006:

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|14 15| Arbeitsmarkt

|14 15| Arbeitsmarkt Arbeitsmarkt ARBEIT IM WANDEL: Veränderte Rahmenbedingungen als Herausforderung der Zeitarbeit Wie andere Wirtschaftsbereiche unterliegt auch die deutsche Zeitarbeitsbranche im internationalen Wettbewerb einem ständigen Anpassungszwang. Zwar konnte sie in den zurückliegenden Jahren ihren Beschäftigungsanteil spürbar erhöhen. Doch verglichen mit anderen europäischen Ländern schöpft sie ihr Potential nur unterdurchschnittlich aus. Was muss sich in der Branche künftig ändern, um den europäischen Anschluss nicht zu verlieren? Bereits 1995 hat das IWG BONN einige wichtige Defizite bei der Zeitarbeit identifiziert: Ihre Industrielastigkeit, die Konzentration auf männliche Arbeitnehmer unter 45 Jahre sowie auf Arbeitskräfte mit geringer und mittlerer Qualifikation. Diese Defizite bestehen bis heute. ACHILLESFERSE DER ZEITARBEIT Darüber hinaus hat die Zeitarbeit den Trend zur Dienstleistungsgesellschaft nur beschränkt nachvollzogen. Ihr Schwerpunkt liegt immer noch im gewerblichen Bereich. Junge Männer und Ausländer sind in der Zeitarbeit im Vergleich zur Gesamtwirtschaft überrepräsentiert. Dies gilt insbesondere für 20- bis 30-jährige. Das wachsende Arbeitskräftepotential von Frauen und Älteren ist dagegen nur wenig erschlossen. Die Achillesferse der Zeitarbeit ist jedoch die geringe Qualifikation vieler Zeitarbeitskräfte. Damit ist sie auch für die Wissensgesellschaft schlecht gerüstet. In Ostdeutschland sind diese Nachteile nicht ganz so stark ausgeprägt. Dort hat die Zeitarbeit ein Profil, das dem der übrigen Erwerbsbevölkerung näher kommt und deshalb wesentlich zukunftsfähiger sein dürfte. Hier kann Westdeutschland von den neuen Bundesländern lernen. Dies ist dringend erforderlich, denn die veränderten demographischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen werden auch die Zeitarbeit vor wachsende Herausforderungen stellen. UNTERNEHMER EIGENER ARBEITSKRAFT Globalisierung und technischer Fortschritt sorgen dafür, dass die Arbeitswelt grundsätzlich umstrukturiert wird: Nicht nur Arbeit wird flexibler und mobiler, sondern auch die arbeitenden Personen. Erwerbsarbeit wird künftig vielfältiger, diversifizierter und örtlich ungebundener. Gearbeitet wird künftig zunehmend in hierarchisch schwach gegliederten Gruppen, in denen der Einzelne immer häufiger selbst bestimmt, wann und wie er arbeitet. Die Entlohnung wird sich weniger nach der Anwesenheit im Betrieb und mehr an den Arbeitsergebnissen orientieren. Hinzu kommt, dass künftig immer mehr Erwerbspersonen während ihres Erwerbslebens zwischen Phasen abhängiger Beschäftigung und Phasen selbständiger Tätigkeit sowie Phasen der Erwerbslosigkeit hin- und herpendeln oder nebeneinander mehrere abhängige oder abhängige und selbständige Tätigkeiten ausüben. Der Einzelne wird damit immer mehr zum Unternehmer seiner Arbeitskraft. Dies erhöht die Chancen für Zeitarbeit. AUF FRAUEN UND ÄLTERE STÄRKER KONZENTRIEREN Ob sie diese Chancen nutzen kann, hängt davon ab, ob sie ihre Defizite beseitigt. Arbeitsmarktpotentiale werden nämlich in Zukunft genau dort entstehen, wo die Zeitarbeit unterdurchschnittlich vertreten ist: Bei Frauen und vor allem Älteren, bei Dienstleistungen, insbesondere auch personenbezogenen, sowie bei Höher- und Höchstqualifizierten. Deshalb muss sie genau in diesen Bereichen stärker präsent sein. Zwar gibt es bereits einige viel versprechende Ansätze, doch müssen diese ausgebaut werden. So kann sich Zeitarbeit zum Beispiel zu einer Lokomotive bei der Beschäftigung und Vermittlung älterer Erwerbspersonen entwickeln. Gerade Ältere verfügen in hohem Maß über die geforderten Schlüsselqualifikationen. Dasselbe gilt vielfach für Frauen. Die Zeitarbeit sollte ganz gezielt diese Personenkreise erschließen. Dies könnte sie auch für die weiterhin erforderliche Verbesserung ihres Images nutzen. ZUSÄTZLICHES POTENTIAL NUTZEN Zudem sollte die Zeitarbeit ihre Tätigkeit stärker auf den Dienstleistungssektor ausrichten. Insbesondere in Bereichen wie Alten- und Krankenpflege, Körperpflege, EDV-Dienstleistungen und Hauswirtschaft besteht zusätzliches Potential für die Zeitarbeit. Dies würde zugleich zu einer Erhöhung des Frauenanteils an den Zeitarbeitnehmern führen. Darüber hinaus muss sich die Zeitarbeit stärker bei der Weiterbildung engagieren, denn deren Bedeutung wird zunehmen. Auch über diesen Bereich kann die Zeitarbeit Markt- und Imagegewinne erzielen. Angesichts der wachsenden Komplexität von Wirtschaft und Arbeitsmarkt sollte die Zeitarbeit ferner vermehrt Paketlösungen anbieten. Der Trend zum Outsourcing ist ungebrochen. Immer mehr Unternehmen suchen eine Komplettlösung. Neben der Arbeitnehmerüberlassung ist die Personalvermittlung und -beratung eine geeignete Ergänzung. POLITIK HAT NOCH VIEL ZU TUN Neben der Zeitarbeit hat auch die Politik noch arbeitsmarktpolitische Hausaufgaben zu erledigen. Der Arbeitsmarkt in Deutschland muss weiter liberalisiert werden. Die Zeitarbeit wird ihre arbeitsmarktpolitische Bedeutung nur erfüllen können, wenn auch die institutionellen Rahmenbedingungen der Zeitarbeit weiter verbessert werden. Hierzu gehören unter anderem die Aufhebung des Verbots der Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe, die Aufgabe des bisherigen PSA-Konzepts sowie weitere Reformen im Bereich der Arbeitsförderung und bei den Arbeitsagenturen. PROBLEME DES MITTELSTANDS LÖSEN Zeitarbeitsunternehmen sind überwiegend mittelständisch organisiert. Je schneller auch die institutionellen Rahmenbedingungen für den Mittelstand verbessert werden, desto besser können sich Zeitarbeitsunternehmen entwickeln. Die Zeitarbeit sollte sich deshalb nicht nur auf die Lösung ihrer eigenen Probleme konzentrieren, sondern sich an mittelstandsbezogenen Kampagnen, wie der Entbürokratisierung und der Flexibilisierung des Arbeitsrechts beteiligen. Jede neue Regierung steht arbeitsmarktpolitisch unter Erfolgszwang. Deshalb dürfte der Arbeitsmarkt weiter flexibilisiert werden. Inwieweit dies auch für die institutionellen Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerüberlassung gilt, hängt nicht zuletzt vom Image der Zeitarbeit ab. Dessen weitere Verbesserung – auch bei den Arbeitnehmern – ist der Drehund Angelpunkt für eine erfolgreiche Entwicklung. Gründe für den Boom der Zeitarbeit sind: der wachsende Zwang der Unternehmen zur Flexibilisierung aufgrund der Globalisierung die deutsche Wachstumsschwäche und die unsichere konjunkturelle Lage das restriktive deutsche Arbeitsrecht die nach wie vor unterdurchschnittlichen Vermittlungserfolge der staatlichen Arbeitsagenturen die hohe Arbeitslosigkeit die Deregulierung der Zeitarbeit im Rahmen der Hartz- Gesetze und der Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes der Imagegewinn der Zeitarbeit durch die Tarifierung der Branche Halten wir fest: Die Zeitarbeit verfügt über eine Reihe wichtiger Vorzüge. Daneben profitiert sie ganz wesentlich von den Schwächen des deutschen Arbeitsmarktes. Allerdings schöpft sie im Vergleich zu anderen Ländern ihr Potential nur unterdurchschnittlich aus: In Großbritannien und in den Niederlanden sind mittlerweile fast 5 % der Beschäftigten in Zeitarbeitsverhältnissen. Selbst im arbeitsmarktpolitisch reglementierten Frankreich ist der Anteil mit 2,8 % doppelt so hoch wie in Deutschland. Die Autorin DR. STEFANIE WAHL ist Geschäftsführerin des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG BONN). Sie ist als unabhängige Wissenschaftlerin geachtet und arbeitete sowohl in einer Projektgruppe der IG BCE als auch in einer Präsidiumskommission der CDU mit. Frau Wahl war überdies die Hauptrednerin auf dem iGZ- Bundeskongress in Stuttgart. Infos: www.iwg-bonn.de Z direkt! Z direkt!

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