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Zdirekt! 04-2020

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28 BERLIN DIREKT

28 BERLIN DIREKT Netzwerk Zeitarbeitsforschung Über Zeitarbeit wird viel und laut diskutiert. Gleichzeitig ist wenig über sie bekannt. Gesichertes Wissen existiert kaum, damit sind willkürlichen Behauptungen und emotionsbeladenem Streit Tür und Tor geöffnet. Sobald Vorurteile begründete Urteile ersetzen, kommt die Zeitarbeit schlecht weg. Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen hat daher das Netzwerk Zeitarbeitsforschung ins Leben gerufen. Für ein sachgerechtes Bild der Zeitarbeit soll intensiv geforscht werden. HWG LU IAW IAB RWI OVGU IZA Streit ist zwingender Bestandteil der Demokratie und die Realität, über die gestritten wird, ist vielschichtig und komplex – vielleicht ist in der aktuellen Zeit noch einmal an diese beiden elementaren Selbstverständlichkeiten zu erinnern. Wer auf einer einzigen Wahrheit beharrt, bewegt sich außerhalb demokratischer Spielregeln und wer nicht anerkennt, dass die Realität komplex ist, argumentiert populistisch. Es gibt daher nur einen angemessenen Weg, nämlich demokratisch zu streiten, nachdem die Materie zuvor objektiv und umfassend durchleuchtet wurde.

Z direkt! 04/2020 BERLIN DIREKT 29 Über die Zeitarbeit wird hingegen überwiegend mit blumigen Bildern und Gerüchten gestritten. Da der Mythos des ausgebeuteten Knechts sich gut verkaufen lässt und alles, was nicht „normal“ ist, Unsicherheit und auch Ablehnung hervorruft, hat die Zeitarbeit in diesen Debatten einen schweren Stand. Dabei ändert sich die Arbeitswelt gravierend, wovon auch Begriffe wie „Normalarbeit“ oder „atypische Beschäftigung“ nicht unberührt bleiben. Schlagworte sind „New Work“ oder „Arbeit 4.0“. Es gibt also hinreichend Anlass, ein differenziertes Bild über die Zeitarbeit zu zeichnen, bevor man über sie urteilt. DATEN- UND MEINUNGSMONOPOL BA Bisher werden die Zeitarbeitsdiskussionen von wenigen Kennziffern gespeist, die in regelmäßigen Abständen von nahezu ausschließlich einer Quelle, der Bundesagentur für Arbeit (BA), stammen. Im Ergebnis entsteht so ein Bild der Zeitarbeit, das auf dünner Faktenlage basiert und vor allem der üblichen wissenschaftlichen Diskussion entbehrt. Wir haben es mit einem Meinungsmonopol zu tun, das sich ausschließlich aus wenigen Zahlen von nur einer Institution speist. Ein bedeutendes Beispiel ist die Diskussion über Lohnabstände zwischen Zeitarbeitnehmern und Stammbeschäftigten. Die BA veröffentlicht im sechsmonatigen Abstand einen Vergleich der Bruttomonatslöhne von Vollzeitbeschäftigten in Zeitarbeit und Stammarbeitsverhältnissen. Die Medianlöhne beider Gruppen werden einander gegenübergestellt, woraus sich eine Differenz von rund 42 Prozent ergibt. In regelmäßigen Abständen findet sich dieser Wert dann als „Wahrheit“ in allen Nachrichtensendungen und Artikeln wieder. Dieses Vorgehen ist methodisch zu kritisieren, angefangen bei der Tatsache, dass die verglichenen Gruppen in lohnrelevanten Merkmalen wie Berufsabschluss oder Berufserfahrung massiv voneinander abweichen. Unterschiedliche Interpretationen eines Sachverhalts sind tägliche Realität in wissenschaftlichen Diskursen, ebenso voneinander abweichende Erhebungsergebnisse. Letztere kommen im Fall der Lohndifferenzen vom Statistischen Bundesamt. In ihrer Verdienststrukturerhebung errechnet die oberste deutsche Statistik-Behörde einen höheren Bruttostundenlohn für Helfer in der Zeitarbeit als für jene in den Stammbelegschaften. Für die Kategorien Fachkraft, Experte und Spezialist benennt sie eine deutlich geringere Lohndifferenz zugunsten der Stammbelegschaften als die Bundesagentur für Arbeit sie ausweist. So weit so normal. Im Regelfall folgen nun wissenschaftliche Untersuchungen und Debatten, an die sich politische Bewertungen und Meinungsbildungen anschließen. Mit Blick auf die Zeitarbeit wird der Zwischenschritt jedoch allzu häufig ausgelassen – nicht nur beim Thema Lohndifferenz. Warum nehmen Arbeitnehmer eine Stelle in der Zeitarbeit auf? Wie sähe eine jeweils individuelle Alternative zu einer Zeitarbeitsstelle aus? Welche Vor- und Nachteile sehen Arbeitnehmer in der Zeitarbeit? Relevante Fragen dürften so schnell nicht ausgehen. FORSCHUNG ALS DISKUSSIONSGRUNDLAGE Es ist an der Zeit, eine differenzierte wissenschaftliche Grundlage für den Umgang mit der Zeitarbeit zu erhalten. Sie hat sich über Jahrzehnte von einem arbeitsmarktpolitischen Instrument zu einer durchprofessionalisierten Branche entwickelt. Es ist unangemessen, mit Mutmaßungen anstelle fundierten Wissens über diese Branche zu diskutieren. Es ist zudem schädlich für die Branche. Jedes Forschungsergebnis, das ein Stück Mutmaßung ersetzt, kommt ihr zugute. Um hier voranzukommen, hat der iGZ das Netzwerk Zeitarbeitsforschung gegründet. Ihm haben sich mittlerweile die führenden Arbeitsmarktforschungsinstitute in Deutschland angeschlossen. Folgende Institutionen arbeiten zusammen: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) sowie Prof. Dr. Michael Kvasnicka von der Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg und Prof. Dr. Jutta Rump von der Hochschule Ludwigshafen. Das Netzwerk hat ein ambitioniertes Projekt beschlossen: Am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) soll eine umfangreiche Datenbank zur Zeitarbeit in Deutschland entstehen. Interessierte Forscher werden sie als Grundlage für ausgiebige Untersuchungen nutzen. Der iGZ kann die Ergebnisse nutzen, um politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit mit fundierten Fakten gegenüberzutreten. Solch seriöse Debatten werden für die Zeitarbeit vorteilhafter sein als jene schrillen Diskussionen, die ohne differenziertes Wissen auskommen. BT

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