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Zdirekt! 04-2020

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26 NACHGEFRAGT

26 NACHGEFRAGT Arbeitsschutzkontrollgesetz: Verbot der Zeitarbeit nicht nachvollziehbar Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die Koalitionsparteien auf ein Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit in der Fleischindustrie verständigt. Beim Schlachten und Zerlegen von Fleisch dürften künftig nur noch Arbeitnehmer des eigenen Unternehmens eingesetzt werden. Werkverträge sollen ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr möglich sein, während Zeitarbeit ab dem 1. April 2021 in der Fleischwirtschaft verboten werde. Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten sollen von diesen Regelungen allerdings ausgenommen werden. Zudem soll es eine zunächst auf drei Jahre befristete Ausnahmeregelung geben: Auf der Grundlage eines Tarifvertrags wird es möglich sein, Auftragsspitzen in der Fleischverarbeitung auch weiterhin mit Zeitarbeitnehmern aufzufangen – aber nicht beim Schlachten und Zerlegen. Zdirekt! hat mit Martin Gehrke, Vertreter des iGZ in den Gremien der Verwaltungs- Berufsgenossenschaft (VBG) und Fachkraft für Arbeitssicherheit, über die Zeitarbeit in der Fleischindustrie gesprochen. Martin Gehrke Die Zeitarbeit soll im Rahmen des geplanten Arbeitsschutzkontrollgesetzes drastisch eingeschränkt werden. Können Sie das als Arbeitsschützer nachvollziehen? Nein. Mir ist nicht bekannt, dass die Zeitarbeit in Bezug auf Arbeitsschutzverstöße im Bereich der Fleischindustrie besonders auffällig wäre. Das hat uns auf unsere Anfrage auch die VBG bestätigt. Wer uns in einen Topf mit den Werkverträgen wirft, hat leider die Zeitarbeit nicht verstanden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil spricht im Zusammenhang mit den Vorgängen in der Fleischindustrie von einer „organisierten Verantwortungslosigkeit“. Trifft das auch auf die Zeitarbeit zu? Fernliegender könnte eine Beschreibung kaum sein. Bei der Zeitarbeit gibt es keine geteilte Verantwortung, sondern eine doppelte. Gemeinsam sorgen beide Partner, Personaldienstleister und Einsatzbetrieb, für den Arbeitsschutz. Das ist nicht nur im Gesetz und den zusammen mit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Peter Kossen

Z direkt! 04/2020 NACHGEFRAGT 27 (VBG) und Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) erarbeiteten Unfallverhütungsvorschriften so, sondern auch in der Wirklichkeit. Bei der Zeitarbeit ist es ja gerade so, dass Stammarbeitskräfte und Zeitarbeitskräfte zusammen in Teams arbeiten. Selbst wenn der Einsatzbetrieb den unlauteren Gedanken haben sollte, die Zeitarbeitskräfte schlechter zu schützen als seine Stammarbeitskräfte: Wie soll das funktionieren, wenn beide nebeneinander im Betrieb arbeiten? Sind das wirklich alles nur Vorurteile und Klischees oder ist Zeitarbeit nicht doch einfach gefährlicher? Lassen wir die Fakten sprechen: Die Anzahl der Arbeitsunfälle pro 1.000 Versicherte ist von 2008 bis 2017 um über 36 Prozent zurückgegangen. Was manche verwechseln, ist, dass Unfälle nicht deshalb passieren, weil Arbeitnehmer in der Zeitarbeit arbeiten, sondern deshalb, weil Arbeitnehmer eine vergleichsweise gefährliche Tätigkeit ausüben. Die Zeitarbeitskräfte sind weit überdurchschnittlich im Helferbereich und im gewerblichen Bereich tätig. Da passieren natürlich mehr Unfälle als im Büro, wo einem schlimmstenfalls mal der Locher auf den Fuß fällt. Wenn man nun also die absoluten Zahlen nimmt und sie mit Branchen vergleicht, in denen zu einem weit größeren Anteil Büroarbeit geleistet wird, ist das ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. Also kein Handlungsbedarf mehr in Sachen Arbeitsschutz für die Zeitarbeit? Wir verschweigen nicht die Erfolge, aber wir ruhen uns auch nicht auf ihnen aus. Wir wollen die Unfallzahlen weiter absenken. Jeder Arbeitsunfall ist einer zu viel. Was tun Sie konkret? Wir haben zusammen mit der VBG ein Prämienverfahren ins Leben gerufen, bei dem konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen finanziell unterstützt werden. Besonders wichtig war es uns, dass möglichst viele davon profitieren können. Deshalb haben wir den Maßnahmenkatalog ab 2020 deutlich ausgeweitet. Finanziell unterstützt werden nun z.B. auch bestimmte Schweißerschutzhelme und Warnschutzkleidung. Gerade in diesen schwierigen Zeiten müssen viele Unternehmen sparen. Das Prämienverfahren bietet die Möglichkeit, bei notwendigen Arbeitsschutz-Investitionen im Regelfall 40% zu sparen. Und es gibt es weiteres großes Ziel, für das ich mich einsetzen möchte: Ein Beitragsnachlass für die Unternehmen mit wenigen Unfällen. Ein anderes Thema bereitet den Unternehmen Sorgen: Die Beitragsentwicklung. Bereits für die Beiträge 2019, die im Mai 2020 fällig würden, gab es eine empfindliche Anhebung des Beitragsfußes. Für die Beiträge 2020, die im Mai 2021 fällig werden, droht eine nochmalige Anhebung. Wie ist Ihre Einschätzung und was kann dagegen getan werden? Die Anhebung des Beitragsfußes kam im schlechtesten Moment. Eine Beitragserhöhung während eines Lockdowns mit deutlich weniger Erträgen. Auch mich als Unternehmer hat das sehr geärgert. Wir müssen nun schauen, dass es für das Beitragsjahr 2020, das im Mai 2021 fällig wird, nicht noch einmal eine Erhöhung des Beitragsfußes gibt. Das wird allerdings ohne besondere Gespräche und Maßnahmen nicht möglich sein. Es wird sehr schwierig. Wir werden gegenüber der VBG deutlich machen, wie wichtig dieses für unsere Mitgliedsunternehmen ist. Einen zweiten Punkt haben wir auch auf der Agenda: Wir wollen auch im nächsten Jahr die erleichterten Ratenzahlungsmöglichkeiten. Das hat sich in diesem Jahr bewährt und vielen in dieser kritischen Situation geholfen. Ich sehe derzeit nicht, dass die Situation im nächsten Jahr sofort so viel besser sein wird. Viele Unternehmen gehen geschwächt in das nächste Jahr. Ratenzahlungen könnten auch dann helfen, Unternehmen im Bestand zu sichern. MD Martin Gehrke ist Inhaber der Gehrke Zeitarbeit GmbH in Duisburg, Fachkraft für Arbeitssicherheit und mehr als 15 Jahre lang Mitglied im iGZ-Bundesvorstand. Seine fachlichen Schwerpunkte in der Verbandsarbeit liegen im Präventionsmanagement und in Fragen zur VBG. Er vertritt den iGZ in den Gremien der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft und ist zudem Mitglied im Prüfungserstellungsausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) für die schriftliche Abschlussprüfung und stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses für die mündliche Prüfung bei der IHK Duisburg. Werner Stolz

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