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Zdirekt! 04-2015

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Z direkt! Recht direkt!

Z direkt! Recht direkt! Referentenentwurf zum AÜG greift stark in die Tarifautonomie ein Kapitale Webfehler Der erste vom Bundesarbeitsministerium vorgelegte Referentenentwurf, der vom Bundeskanzleramt zunächst gestoppt wurde, hat bei den Arbeitgeberverbänden für Verblüffung und Entsetzen gesorgt. Der Entwurf sieht zwar die laut Koalitionsvereinbarung geplante Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten sowie Equal Pay ab dem 10. Monat vor. Die konkrete Umsetzung greift jedoch stärker in die Tarifund Vertragsautonomie ein als erwartet. Dies betrifft insbesondere den Vorschlag, die Branchenzuschlagstarifverträge nur noch höchstens zwölf Monate anzuerkennen. Das gut funktionierende tarifliche System wird durch die vorgesehene Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten und zum anderen durch die wenig durchdachten Regelungen zur Vergütung in Frage gestellt. Europarechtlich ist eine Höchstüberlassungsdauer nicht geboten. Überdies ist die Begrenzung auf 18 Monate beschäftigungspolitisch kontraproduktiv. Angesichts der Willkür, mit welcher die 18 Monate zustande kamen, konnte man ohnehin nur mit dem Kopf schütteln (SPD: 12 Monate; CDU: 24 Monate; Kompromiss: 18 Monate). Seit der Stellungnahme der EU-Kommission zur Höchstüberlassungsdauer gibt es kein sachliches Argument mehr für eine zeitliche Begrenzung. Vielfach wurde für die Notwendigkeit angeführt, dass die EU-Zeitarbeitsrichtlinie eine solche fordere. Dieses Argument hat die EU-Kommission dem Gesetzgeber aus der Hand geschlagen, indem es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens (Az. CHAP (2015) 00716) klarstellte, dass eine dauerhafte Überlassung zulässig ist. Schutzzweck einer Höchstüberlassungsdauer Wovor soll also die Höchstüberlassungsdauer schützen? Vor einer (unbefristeten) Anstellung in der Zeitarbeit an sich? Diese Begründung scheidet schon deswegen aus, weil die EU-Zeitarbeitsrichtlinie eine positive Grundentscheidung pro Zeitarbeit trifft und Zeitarbeit nicht als Beschäftigung zweiter Klasse ansieht. Auch nach dem vorliegenden Entwurf ist eine dauerhafte Beschäftigung in Zeitarbeit möglich, nur eben nicht beim selben Kundenunternehmen. Der Schutz vor einer zu niedrigen Bezahlung scheidet ebenso als Grund aus, da laut Gesetzesentwurf bereits ab dem zehnten Monat Equal Pay gelten soll. Beschränkungen europarechtlich zweifelhaft Die europarechtliche Zulässigkeit einer Überlassungsbeschränkung ist in der vorgesehenen Kombination von Equal Pay ab dem 10. Monat sowie 18 Monaten Höchstüberlassung mehr als zweifelhaft. Denn Artikel 4 Absatz 1 der Zeitarbeitsrichtlinie erlaubt Beschränkungen der Zeitarbeit nur zum Zwecke des Arbeitnehmerschutzes sowie aus Arbeitsmarktgründen. Arbeitnehmerentscheidung wird nicht respektiert Bisher gibt es lediglich Regelungen wie den TV Leih-/ Zeitarbeit, in welchem der Metallarbeitgeber verpflichtet wird, dem Mitarbeiter nach 24 Monaten ein Arbeitsverhältnis anzubieten. Hiermit ist keine Höchstüberlassungsdauer verbunden, denn der Arbeitnehmer kann weiter überlassen werden, wenn er das Angebot des Kunden ablehnt. Sieht der Arbeitnehmer eher Vorteile in einem Arbeitsverhältnis mit dem Kunden, nimmt er das Angebot an. Die Entscheidung des Arbeitnehmers wird respektiert. Ganz anders stellt sich das bei einer Höchstüberlassungsdauer dar: Eine Überlassung wird bei Überschreitung der Höchstdauer rechtswidrig, ganz gleich ob der Arbeitnehmer die Anstellung beim Kunden wünscht oder ob es dem Kunden möglich ist, den Zeitarbeitnehmer zu übernehmen. In vielen Fällen wird die endgültige Entlassung des Zeitarbeitnehmers die Konsequenz sein. Die Begrenzung der Überlassungsdauer nimmt grundsätzlich auch keine Rücksicht auf sachliche Gründe, die für eine Überlassungsmöglichkeit von mehr als 18 Monaten streiten (Projektarbeit, Qualifizierung, Elternzeit). Sollte es einer Kundenbranche schlicht aufgrund fehlender Tarifstrukturen nicht gelingen, eine höhere Überlassungsdauer festzuschreiben, was der BMAS-Entwurf zulässt, müssten demnach künftig eingearbeitete Mitarbeiter abgezogen oder 22

Recht direkt! Z direkt! Qualifizierungen abgebrochen werden. In vielen witterungsanfälligen Branchen (Maler) spielt die Zeitarbeit bisher eine von der Politik wenig beachtete, aber wichtige Rolle für den Arbeitsmarkt: Aufgrund der flexiblen Einsatzmöglichkeiten kann hier bisher eine durchgehende Beschäftigung über die Winterzeit hinaus sichergestellt werden. Diese Möglichkeit entfiele künftig. Zeitarbeitsbranche muss abweichen dürfen Zwar sieht der Entwurf eine Öffnungsklausel für tarifvertragliche Regelungen vor. Jedoch enthält die Öffnungsklausel einen kapitalen Webfehler, der freilich schon in der Koalitionsvereinbarung angelegt ist: Abweichende Tarifverträge sollen ausschließlich von den Tarifparteien der Kundenbranchen abgeschlossen werden dürfen, nicht also von der Tarifparteien der Zeitarbeitsbranche. Dies widerspricht fundamental dem demokratischen Grundsatz der Repräsentativität, wonach die von einer Norm Betroffenen diese Normen auch selber setzen. Der Gesetzesvorschlag ignoriert, dass es sich bei der Zeitarbeit um eine eigene Branche handelt, wie es das Bundesarbeitsgericht bereits vor über zehn Jahren entschieden hat (BAG v. 24. März 2004, 5 AZR 303/03, Rz.46). Die Öffnungsklausel sieht die Möglichkeit der Verlängerung oder Verkürzung der Überlassungshöchstdauer vor. Dem faktischen Ausschluss von Zeitarbeit in einer Kundenbranche durch die Festlegung einer sehr kurzen Höchstüberlassungsdauer könnte die Zeitarbeitsbranche nur hilflos zuschauen. Enge Orientierung am Wortlaut Vertreter des Koalitionspartners CDU haben verschiedentlich geäußert, sie wollten eine Umsetzung der Koalitionsvereinbarung, die sich eng an den Vorgaben der Koalitionsvereinbarung orientiert und nicht über diese hinausgeht. Entsprechend den Ankündigungen im Koalitionsvertrag sieht der Entwurf zwar eine Gestaltung der Höchstüberlassungsdauer durch die Tarifvertragsparteien in den jeweiligen Einsatzbranchen vor, verlangt jedoch, dass auch die tarifliche Regelung eine Höchstüberlassungsdauer vorschreibt. Tarifautonomie wahren Der Aussage könnte man an dieser Stelle Taten folgen lassen. Man müsste den Tarifpartnern aufgrund ihrer Sachnähe die Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer überlassen. Der Gesetzgeber sollte sich mangels Sachnähe ohnehin aus dieser Entscheidung heraushalten. Dasselbe gilt für die Festlegung des Equal Pays. Dies müssen weiter die Tarifparteien festlegen und zwar in Form der Branchenzuschläge. Die Branchenzuschlagstarifverträge dürfen vom Gesetzgeber nicht nach zwölf Monaten kassiert werden. Die Findung der Lohnbedingungen war und ist aus guten Gründen Aufgabe der Tarifparteien. Daran darf nicht gerüttelt werden. Gesetzesvorhaben nicht zeitgemäß Zeitarbeit droht ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die deutsche Wirtschaft große Integrationsaufgaben bewältigen soll, abgewürgt zu werden. Dieselbe Bundesregierung, die die Zeitarbeit auffordert, bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu helfen und zu diesem Zwecke das Beschäftigungsverbot von Ausländern lockert, torpediert mit ihrem AÜG-Referentenentwurf die Tarifverträge in der Zeitarbeit massiv. Abgestimmtes Regierungshandeln sieht anders aus. Regulierung kaum verständlich Zwei Drittel aller in der Zeitarbeit beschäftigten Arbeitnehmer waren zuvor beschäftigungslos, 20 Prozent waren sogar länger als ein Jahr arbeitslos oder noch nie beschäftigt. Die Zeitarbeit hat damit alle Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen, die an ihre Neuregelung in den Jahren 2002 und 2003 geknüpft wurden. Diese Erfolge stellen jedes staatliche Arbeitsmarktprogramm weit in den Schatten. Derzeit sind 80 Prozent der Arbeitsverhältnisse in der Zeitarbeit unbefristet, 90 Prozent sind sozialversicherungspflichtig und in Vollzeit und nahezu 100 Prozent sind tarifiert. Diese Arbeitsverhältnisse werden flankiert von einem Mindestlohn, dem AÜG und der Zeitarbeitsrichtlinie, von Kontrollen der BA und des Zolls. Die Arbeitnehmer können sich beim iGZ an eine unabhängige Kontakt- und Schlichtungsstelle wenden. Beschreiben solche Parameter eine regulierungsbedürftige Branche mit prekärer Beschäftigung? Warum der Gesetzgeber angesichts dieser Faktenlage von der weiteren Bürokratisierung und Regulierung der Zeitarbeit nicht endlich Abstand nimmt, ist kaum noch verständlich. RA Stefan Sudmann 23

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