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Zdirekt! 03-2020

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38 DIGITAL UNTERWEGS

38 DIGITAL UNTERWEGS Zeitarbeit“ hat da ganz wertvolle Grundlagenarbeit geleistet. Letztlich müssen wir noch mehr die Kundenanforderungen und Wettbewerbsbeobachtung auch zum Verbandsthema machen. Welche Voraussetzungen müssen denn dazu in den Unternehmen getroffen werden? Wir brauchen ein brutales und kompromissloses Investment in die Qualität der Branche. Man wird nur dann als Consulter wahr- und ernstgenommen, wenn es auch eine Kompetenzvermutung gibt. Und die fällt nicht vom Himmel, sondern will und muss hart erarbeitet werden. Damit wir das gewährleisten können, arbeiten wir neben der Förderung des dualen Ausbildungsberufs zum Personaldienstleistungskaufmann (PDK) an einem Studiengang für internes Personal. Und wir brauchen eine größere Bereitschaft, sich auch mit den Möglichkeiten der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Corona »Routine allein ist in einer globalisierten Welt aber nicht mehr zukunftsfähig.« Haben Sie ein Beispiel? Ja, absolut. Wir haben als Verband mit der Vermittlungsplattform matchtime-personal.de einen richtig großen Wurf gelandet. Es haben sich binnen weniger Tage mehr als 1.200 Personaldienstleister registriert. Nun gestaltet es sich aber erwartungsgemäß schwierig, potenzielle Kunden auf die Plattform zu bekommen. Das haben wir auch exakt so erwartet. Hier sind nach meiner festen Überzeugung jetzt aber die Mitglieder gefordert, auch die eigenen Kunden zu motivieren, diese Plattform zu nutzen, wenn man beispielsweise einen Auftrag mal nicht besetzen kann. Das wird aber häufig nicht gemacht, weil die Sorge besteht, der Kunde würde dann nur noch die Plattform nutzen. Das ist aber viel zu kurz gedacht: Nur wenn es uns gelingt, eine solche Plattform in eigener verbandlicher Regie zu entwickeln, zu steuern und zu boosten, werden wir in fünf Jahren anderen Dienstleistern und Datenkraken nicht ausgeliefert sein. Man hält sich jetzt an einem Auftrag fest und merkt nicht, dass man dadurch seine mittelfristige Existenz gefährdet. Es ist klar zu spüren, wie wichtig Ihnen dieses Thema ist. Wie wollen Sie diese Erkenntnis denn in die Branche tragen? Wir müssen diese Themen immer und immer wieder ansprechen. Und wir müssen auch als Verband vielleicht auch den Schwerpunkt verlagern – hin zu mehr Marktkompetenz. Sie meinen, der iGZ müsse wirtschaftsverbandlicher werden? Richtig! Wir müssen die Unternehmen in ihrem Transformationsprozess begleiten. Deswegen war es mir auch wichtig mit dem Schwerpunkt „Change Management“ ein Bewusstsein für Veränderungsnotwendigkeiten zu schaffen. Und die Erfa-Gruppe „Zukunft Manuel Lewinski der war diesbezüglich an manchen Stellen durchaus ein Beschleuniger. Aber – wie am Beispiel von matchtimepersonal.de bereits deutlich gemacht – wir brauchen hier noch viel radikalere Schritte in den einzelnen Unternehmen und insbesondere mehr Mut. Wir haben das Thema „Globalisierung“ schon kurz angerissen. Ist das tatsächlich auch ein Thema, mit dem sich kleinere und mittelständischen Zeitarbeitsunternehmen auseinandersetzen müssen? Wenn sie mittelfristig überleben wollen – ja! Die Märkte verändern sich aufgrund der Durchlässigkeit der Grenzen auch für Arbeitskräfte ganz massiv. Auch kleinere oder mittelständische Kunden werden zunehmend international. Wieso sollten sich die Dienstleister nicht daran anpassen müssen? Das gilt im Übrigen aber nicht nur für die Marktteilnehmer. Auch der Verband muss hier noch aktiver werden. Wir müssen uns viel intensiver mit den europäischen Themen auseinandersetzen.

Z direkt! 03/2020 DIGITAL UNTERWEGS 39 Um die Kurve zu unserer Beifahrer-Rolle noch einmal zu bekommen: Wir haben im kommenden Jahr eine Bundestagswahl. Der Begriff „Richtungswahl“ ist, zugegeben, in letzter Zeit ziemlich inflationär verwendet worden. Dennoch: Wird das für unsere Branche eine „Richtungswahl“? Absolut, ja. Die Zahl unserer politischen Freunde oder derer, die bereit sind für uns öffentlich in die Bresche zu springen, ist überschaubar. Das liegt nicht daran, dass wir schlechte Arbeit leisten. Das liegt häufig auch einfach daran, dass der Mut fehlt, sich für die Sache gegen die öffentliche Meinung zu positionieren. Wir müssen aber Politik und Öffentlichkeit genau dazu bewegen, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Nun soll man ja nie mit einer negativen Botschaft aus einem Interview aussteigen. Haben Sie zum Abschluss auch noch einen Mutmacher für die Branche? Ich glaube, dass wir alle Chancen haben, die Branche und unsere Unternehmen dauerhaft zukunftsfähig aufzustellen. Dazu müssen wir uns aber bewegen. Oder, um es mit Herbert Grönemeyer zu sagen: „Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders…“ – Dem kann ich nichts hinzufügen. MS Wie kann das gelingen? Ich kann Ihnen sagen, wie es garantiert nicht gelingen wird: Wenn sich die Mitgliedsunternehmen zurücklehnen und sagen: „Lass den Verband mal machen!“ Natürlich muss der Verband die Positionen und Aktivitäten koordinieren. Wir müssen als Verband auch explizit Verantwortung hierfür übernehmen. Aber wir brauchen auch eine gemeinsame Kraftanstrengung der Branche. Da muss jedes Unternehmen mit anpacken. Und wir brauchen auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Multiplikatoren. Politik lebt vom Mitmachen und vom Einflussnehmen. Genau das müssen wir als Branche in den kommenden Monaten mit großem Aufwand betreiben, denn es drohen nach der Wahl politische Konstellationen, die erklärtermaßen zum Ziel haben uns das Leben verdammt schwer zu machen. Christian Baumann sieht Zeitarbeit nach eigener Aussage als seine Lebensaufgabe an. Der 37-Jährige ist seit April 2017 Bundesvorsitzender des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen. Dem iGZ-Bundesvorstand gehört er bereits seit 2016 an, seit 2014 ist der gebürtige Krefelder iGZ-Landesbeauftragter für Hamburg. Baumann ist Diplom- Pädagoge und studierter Wirtschaftswissenschaftler. In der Personaldienstleistungsbranche ist er seit mehr als 13 Jahren tätig, seit 2013 leitet Baumann die Geschäfte der pluss Personalmanagement GmbH.

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