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Zdirekt! 03-2015

Z direkt! Titelthema

Z direkt! Titelthema Serap Güler (CDU NRW) befürwortet Dreimonatsfrist „Erst mal ankommen lassen“ Dass in Deutschland immer häufiger der Fachkräftemangel in die Diskussion um Flüchtlinge eingebracht wird, ärgert die integrationspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion NRW, Serap Güler. „Ich kann es nicht mit meiner Moral vereinbaren, in Flüchtlingen potenzielle Arbeitskräfte zu sehen“, stellt Güler im Gespräch mit iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz klar. Langfristig sei es natürlich wünschenswert und auch sinnvoll, wenn Asylbewerber arbeiten. „Aber erstmal kommen die Menschen hierher, weil sie Schutz und Hilfe suchen“, bekräftigt sie. Werner Stolz, iGZ-Hauptgeschäftsführer, traf sich mit Serap Güler, integrationspolitische Sprecherin CDU NRW. Daher unterstütze sie auch nicht die Forderung, das dreimonatige Arbeitsverbot für Flüchtlinge zu reformieren: „Wenn wir das machen, wecken wir damit in der Gesellschaft eine entsprechende Erwartungshaltung. Davor müssen wir die Flüchtlinge schützen!“ Die psychologische Betreuung stehe zunächst im Vordergrund. Ein Zeitraum von drei Monaten, um erst einmal anzukommen, sei völlig in Ordnung. Handlungsbedarf sieht Güler aber in der Tatsache, dass Asylbewerber erst mit einem positiven Bescheid an einem Eingliederungskurs teilnehmen dürfen. Das sei viel zu spät. Zumindest Personen, deren Asylantrag voraussichtlich bewilligt werde, sollten – sofern ihr Gesundheitszustand das zulasse – bereits nach einem Monat mit dem Kurs beginnen. Dann hätten sie es auch bei der späteren Arbeitssuche leichter, die für die Eingliederung in die Gesellschaft natürlich sinnvoll sei. Als Integrationsbeauftragte fühlt sich die 35-Jährige nicht nur für Ausländer, sondern für alle Gruppen am sozialen Rand der Gesellschaft zuständig. „Es geht nicht darum, welche Abstammung eine Person hat. Auch viele Deutsche leben heute am Existenzminimum“, verdeutlicht sie. Güler will die Interessen all derer vertreten, die zurück in die Mitte der Gesell- 16

Titelthema Z direkt! schaft finden wollen. Das sei jeweils eine ganz individuelle Herausforderung. Zeitarbeit könne bei der Reintegration in das Berufsleben helfen. Sie sei gerade für Menschen, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, eine gute Chance, um wieder oder überhaupt erst in den Job einzusteigen. „Die Branche hat einen Ruf, der ihr nicht gerecht wird“, urteilt sie. Überraschend kommt die derzeitige Flüchtlingswelle für Güler nicht. Die Politik habe jahrelang die Augen verschlossen. „Obwohl um uns herum die Krisenherde bereits aufflammten, haben wir in Deutschland Unterkünfte geschlossen und Personal abgebaut. Das war sehr kurzsichtig“, kritisiert sie. Die Flüchtlingsdebatte sei natürlich eine emotional getriebene Diskussion. Da gehe es um Ängste vor dem Fremden, vor anderen Religionen und Kulturkreisen. Güler: „Manche Menschen haben Sorge, von dem Fremden überrannt zu werden und sich irgendwann zuhause nicht mehr wohl zu fühlen.“ Das müsse man ernst nehmen, aber auch nicht überdramatisieren. „Im Vergleich zu den 90er Jahren ist die Debatte schon viel sachlicher geworden“, betont sie. Auch sei die gesellschaftliche Bereitschaft, sich sozial zu engagieren, sehr groß. Dennoch warnt Güler: „Die Diskussion flammt immer dann wieder auf, wenn Menschen etwas weggenommen wird.“ Sobald Freibäder oder Bibliotheken geschlossen werden, weil die kommunalen Kassen leer seien, würde sich Widerstand regen. „Deshalb muss die Bundesregierung unbedingt noch mehr Geld zur Verfügung stellen“, mahnte sie. Zwar sei der Betrag für die Flüchtlinge bereits erhöht worden, die Summe sei aber nach wie vor nicht ausreichend. Deutschland sei als wirtschaftsstärkstes Land in Europa definitiv in der Lage, den Flüchtlingsstrom zu bewältigen. In Griechenland beispielsweise sehe die Situation ganz anders aus – die Finanzkrise verschärfe das Problem enorm. Güler berichtet von Unterkünften, in denen es kein Essen mehr gebe, weil der Caterer nicht bezahlt werden könne. „Da ist europäische Solidarität gefragt“, fordert sie. Natürlich könne Deutschland nicht allen Menschen, die hier Zuflucht suchen, Asyl gewähren. „Zu einer guten Flüchtlingspolitik gehört auch eine konsequente Abschiebung“, stellt sie klar. Personen, deren Asylantrag abgelehnt werde, sollte man dann aber andere Wege aufzeigen, wie sie nach Deutschland kommen können. „Es gibt eine Liste mit 70 Mangelberufen. Aber wer im Ausland kennt diese Liste?“, fragt sich Güler. Im Ausland müsste dafür viel mehr Werbung gemacht werden – schon bevor sich die Menschen mit der Hoffnung auf Asyl auf den Weg nach Deutschland machten. Auf diese Weise könnten ausländische Fachkräfte, die ihre Heimat verlassen möchten, gezielt nach Deutschland kommen. „Die Debatten um Flüchtlinge und den Fachkräftemangel muss also parallel, aber eben nicht zusammen geführt werden“, zieht die Integrationsbeauftragte ein Fazit. Maren Letterhaus Serap Güler Serap Güler, als Kind türkischer Eltern in Deutschland geboren, hatte lange Zeit keine deutsche Staatsangehörigkeit. „Ich wollte meinen türkischen Pass nicht abgeben“, begründet sie. Die Landtagswahl 2010 sei dann das Schlüsselerlebnis gewesen. Zu dieser Zeit arbeitete sie als Referentin im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration, war bereits CDU-Mitglied und hatte den Wahlkampf als stellvertretende Vorsitzende des deutsch-türkischen Forums der CDU aktiv begleitet. „Und dann letztlich bei so einer wichtigen Entscheidung nicht mitwählen zu dürfen, war für mich ganz schlimm“, berichtet Güler. Nur eine Woche nach der Wahl habe sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und Ende des Jahres bekommen. Heute empfiehlt sie diesen Schritt jedem, der die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt – auch, wenn sie aus eigener Erfahrung verstehen kann, dass viele ihre andere Staatsbürgerschaft ebenfalls behalten wollen. Dabei übt sie auch innerparteiliche Kritik: „Die Haltung der CDU zur doppelten Staatsbürgerschaft finde ich unfair“, urteilt sie. Die Pflicht, sich für eine Nation entscheiden zu müssen, bringe viele Menschen in Identitäts- und Loyalitätskonflikte. 17

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