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Zdirekt! 01-2021

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32 RECHT DIREKT Die

32 RECHT DIREKT Die Causa Fleisch: Verfassungsrechtlich bedenklich Während in 2017 eine zaghafte Regulierung der Fleischwirtschaft nahezu im Alleingang vom kürzlich verstorbenen CDU-Bundestagsabgeordneten Karl Schiewerling am Landwirtschaftsministerium vorbei durch das Parlament gebracht wurde, ging es vergangenes Jahr mit Corona dann sehr schnell. Im Sommer legte die Bundesregierung einen ersten Entwurf vor, der nahezu ohne Änderungen am 1. Januar 2021 in Kraft trat. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz ändert dabei verschiedene bereits bestehende Gesetze. Besonders bedeutsam aus Sicht der Zeitarbeit sind die Beschränkungen des Fremdpersonaleinsatzes durch das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch). Auch wenn das GSA Fleisch in vielen Bereichen Neuland betritt, hat der iGZ bereits über Handlungsleitfäden umfassend über den betrieblichen Anwendungsbereich informiert. Bei schematischer Betrachtung ist die Prüfung zweistufig vorzunehmen: Die Anwendung des Gesetzes setzt voraus, dass ein Betrieb nach den Regelungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes vorliegt. Umfasst sind damit alle Betriebe, in denen überwiegend Fleisch geschlachtet, zerlegt oder verarbeitet wird. Liegt ein solcher Betrieb vor, ist die Überlassung im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie im Bereich der Fleischverarbeitung (soweit kein entsprechender Tarifvertrag vorliegt) untersagt. Die Schlachtung und Zerlegung wird nach dem 1. April 2021 für die Zeitarbeit gesperrt, der Einsatz von Zeitarbeitskräften in der Fleischverarbeitung bleibt nur unter strengen Anforderungen (unter anderem Quoten, Höchstüberlassungszeiten und Gleichbehandlung) möglich, soweit ein Tarifvertrag der Einsatzbranche dies zulässt. Solche Tarifverträge bestehen zurzeit nicht, die Verhandlungen müssen erst noch geführt werden. VERFASSUNGSRECHTLICHE BEDENKEN Die Verfassungsgemäßheit des Arbeitsschutzkontrollgesetzes / GSA Fleisch bleibt fraglich. Dass die Eilanträge im vergangenen Dezember gegen das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt wurden, hat keine unmittelbare Auswirkung auf die noch laufenden Hauptsacheverfahren. Im einstweiligen Rechtsschutz geht es primär um eine Folgeabwägung im Hinblick schwerer Nachteile, die ohne Aussetzung des Gesetzes entstehen. Der massive verfassungswidrige Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Zeitarbeitsunternehmen aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz ist nicht zu übersehen. Die Gesetzesbegründung bezieht sich nahezu ausschließlich auf die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft und die Defizite bei Gesundheits- und Arbeitsschutz oder der Dokumentation von Arbeitszeiten. Dabei fehlt es bereits an der Geeignetheit der Beschränkungen der Zeitarbeit in der Fleischbranche. Es ist bis

Z direkt! 01/2021 RECHT DIREKT 33 Verhandlungen zu einem Tarifvertrag der Einsatzbranche aufgenommen ab 1. Januar 2021: Verbot von Werkverträgen in den Kernbereichen Schlachtung, Zerlegung, Fleischverarbeitung ab 1. April 2021: Zusätzlich Überlassungsverbot in den Bereich Schlachten und Zerlegen; in den Bereich Fleischverarbeitung nur mit Tarif der Einsatzbranche und strengen Voraussetzungen ab 1. April 2024: Überlassungsverbot auch im Bereich Fleischverarbeitung heute nicht belegt, dass der behauptete Regelungsbedarf für die Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft überhaupt besteht. Die Zeitarbeit ist hinsichtlich der vorhandenen gesetzlichen und tariflichen Schutz- und Kontrollregelungen eine der bereits heute am stärksten kontrollierten Branchen Deutschlands. Im Arbeitsschutz beispielsweise ordnet § 11 Abs. 6 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einen „doppelten“ Schutz an, indem der Auftraggeber für den Arbeitsschutz in die Pflicht genommen wird, ohne dass der Arbeitgeber aus der Verantwortung entlassen wird. Ein sektorales Verbot der Zeitarbeit widerspricht folglich den gesteckten Zielen. Die spannende Frage, ob die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen eingehalten werden, bleibt abzuwarten. WEITERE REGELUNGEN DES ARBEITSSCHUTZKON- TROLLGESETZES Die Diskussion über das Fremdpersonalverbot in der Fleischwirtschaft lenkt davon ab, dass nahezu alle Branchen von den weiteren Regelungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes betroffen sind. Mindestbesichtigungsquote Bis zum Jahr 2026 soll eine Mindestbesichtigungsquote aller Betriebe in Höhe von fünf Prozent durch die zuständigen Landesbehörden erfolgen (§ 21 Abs. 1a Arbeitsschutzgesetz). Die Pflicht soll durch eine Bundesfachstelle überprüft werden. Ergänzt wird die Regelung durch eine Übermittlungspflicht der Besichtigungsergebnisse an die zuständigen Unfallversicherungsträger. Gemeinschaftsunterkünfte In der Arbeitsstättenverordnung sind Regelungen zu Gemeinschaftsunterkünften aufgenommen worden, um höhere Standards für die Gemeinschaftsunterkünfte durchzusetzen (§ 2 Abs. 8 ArbStättV). Die Pflicht, nur angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wird konkretisiert (Anhang Nr. 4.4 Abs. 1 S. 1 ArbStättV) und unter eine Dokumentationspflicht gestellt. Bußgelder Die Höchstsätze der Bußgelder nach dem Arbeitszeitgesetz sind verdoppelt worden. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz betragen zukünftig bis zu 30.000 Euro, Verstöße gegen die Aushangpflicht bis zu 2.500 Euro. Eine entsprechende Verdoppelung wurde auch im Jugendarbeitsschutzgesetz aufgenommen (§§ 58 und 59 JArbSchG). Daneben wurden nahezu allen Pflichten aus dem Arbeitsschutzkontrollgesetz bußgeldbewährt. Das GSA Fleisch ordnet Geldbußen bis zu 500.000 Euro an (§ 7 Abs. 3 GSA Fleisch) FAZIT Bereits in der Vergangenheit waren Behörden in der Lage, die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft umfangreich zu kontrollieren. Anstatt mit mehr Kontrollen die schwarzen Schafe zur Verantwortung zu ziehen, werden mit den Regelungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes in verfassungswidriger Weise Verbote durchgesetzt, die alle Betriebe der Fleischwirtschaft und der Zeitarbeit treffen. Mehr Kontrollen sind aber nicht vorgesehen, vielmehr wird die geringe Kontrolldichte gesetzlich zementiert. Erst ab 2026 sollen die zuständigen Landesbehörden mindestens fünf Prozent der Betriebe kontrollieren, mithin wird jeder Betrieb rechnerisch alle 20 Jahre besichtigt. EO

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