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Ausgabe 1/2006:

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|4 5| Arbeitsmarkt

|4 5| Arbeitsmarkt Arbeitsmarkt ZEITARBEIT: WIRTSCHAFT HEILT SICH SELBST Erste Wahl für den ersten Arbeitsmarkt Seit sich die Arbeitslosigkeit auf einem strukturell sehr hohen Niveau eingependelt hat, hat die Bedeutung dieses Themas für die Politik zugenommen. Dabei muss jedoch klar sein: Neue Jobs kann die Politik nicht schaffen. Sie kann lediglich die Rahmenbedingungen gestalten. Die beiden vergangenen Bundestagswahlkämpfe, und insbesondere der zurückliegende, waren thematisch von der Frage, wie neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, überlagert. Ein Beispiel, wie sich der Staat eines arbeitsmarktpolitischen Instruments bedient, ist die Zeitarbeit. Zeitarbeit kann als „Selbstheilungsfunktion des Arbeitsmarktes aus der Wirtschaft heraus“ bezeichnet werden. Organisieren Zeitarbeitsunternehmen doch seit Jahren die Flexibilität, die zu schaffen die Politik nicht in ausreichendem Maße in der Lage gewesen ist. Der Staat hat im Rahmen der Hartz-Gesetze versucht diese Selbstheilungsfunktion aufzugreifen und durch die Schaffung der Personal-Service-Agenturen (PSA) zu verstärken. So sollte die Integration von Arbeitslosen über den Weg der Zeitarbeit gelingen. Das ist ein zeitgemäßer Ansatz: Temporäre Erwerbsformen wie Zeitarbeit oder auch befristete Beschäftigungsverhältnisse sind in den Staaten der Europäischen Union keine Randerscheinung mehr. Mehr als ein Achtel der europäischen Erwerbsbevölkerung befinden sich schon heute in solchen Beschäftigungsverhältnissen. An dieser Stelle sei ein Hinweis zur Begrifflichkeit erlaubt: Oft genug wird die Zeitarbeit als eine Chance bezeichnet, die man nutzen kann, um anschließend in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen. Diesen Formulierungen liegt die irrige Annahme zugrunde, dass die Dauer der Beschäftigung in Zusammenhang steht mit der Klassifizierung des „Ersten Arbeitsmarkts“. Richtig ist jedoch, dass dem ersten Arbeitsmarkt alle regulären Beschäftigungsverhältnisse zuzuordnen sind, die nicht durch öffentliche Zahlungen zum Zwecke der (Weiter-) Qualifizierung erst ermöglicht werden. Zeitarbeit ist ein Bestandteil des ersten Arbeitsmarktes, denn das Zeitarbeitsunternehmen ist Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten. Das bedeutet, dass das Zeitarbeitsunternehmen dem Arbeitnehmer alle üblichen Leistungen, wie Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung, bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und gesetzlichen Kündigungsschutz gewähren muss. Also bieten die Zeitarbeitsunternehmen, neben Tariflohn, voll sozial geschützte Arbeitsverhältnisse. Zeitarbeit hat im vergangenen Jahrzehnt spürbar an Bedeutung zugenommen. Seit 1993 hat sich die Zahl der Zeitarbeitnehmer von 120.000 auf über 400.000 im Jahr 2004 mehr als verdreifacht. Es gibt keine Wirtschaftsbranche, die gerade in diesem Zeitraum eine vergleichbare Entwicklung vorweisen kann. Im internationalen Bereich jedoch liegt Deutschland noch deutlich zurück. Der Anteil von 1,5 % an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen relativiert sich vor den Zahlen anderer europäischer Staaten, wie Frankreich (2,8 %), den Niederlanden (4,5 %) oder Großbritannien (4,8 %). In den USA ist die Zeitarbeit inzwischen zu einem festen Bestandteil der Personalstrategie geworden. Der betriebswirtschaftliche Vorteil der Zeitarbeit liegt für die Entleihbetriebe neben der Flexibilität und der Umgehung arbeitsrechtlicher Restriktionen und deren Verschiebung auf die Zeitarbeitsunternehmen in der Umwandlung von fixen in flexible Kosten. Zeitarbeitsunternehmen sind jedoch in den wenigsten Fällen altruistisch sondern gewinnmaximierend orientiert. Das bekommt ein Zeitarbeiter bei seinem Verdienst zu spüren, denn nur in Ausnahmefällen wird sein Einkommen vergleichbar zu dem sein, was er bei direkter Beschäftigung in der Entleihfirma bekäme. Zeitarbeit erfüllt aus unterschiedlichen Interessenslagen verschiedene Funktionen: Aus Unternehmersicht sind Zeitarbeitskräfte disponible Arbeitskräfte. Aus Sicht der Arbeitnehmer ist solch eine Tätigkeit eine Möglichkeit, Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder aber sich mit Blick auf die berufliche Kompetenz weiter zu qualifizieren. Der überwiegende Teil der Zeitarbeitnehmer wird im gewerblichen Bereich benötigt, bei denen es sich häufig um Tätigkeiten in der Fertigung handelt. Als nächst häufiger Einsatzort folgen Dienstleistungsbetriebe. Es lässt sich ein Zusammenhang zwischen Art der Beschäftigung und der Einsatzdauer beobachten: Bei einfachen, standardisierten Tätigkeiten, für die in der Regel eine kurze Einarbeitungszeit ausreicht, dauern die meisten Einsätze nicht länger als drei Monate. Je höher jedoch die erforderliche Qualifikation und je länger die Einarbeitungszeit ist, desto länger dauert in der Regel auch der Einsatz. Zeitarbeit ist jedoch keine Universallösung für Berufseinsteiger, kann aber durchaus eine Chance darstellen. 2004 waren 13 % aller Zeitarbeitsverhältnisse kürzer als eine Woche und 47 % dauerten zwischen einer Woche und drei Monaten. Das bedeutet, dass Zeitarbeit in erster Linie zur Kompensation von meist unerwarteten Auftragsschwankungen genutzt wird. Geographisch ist Zeitarbeit insbesondere in großen Agglomerationen anzutreffen. Zeitarbeit ist ein Instrument zur schnellen und flexiblen Organisation von Arbeit. Sie ist Bestandteil des ersten Arbeitsmarktes und wird für diesen immer bedeutsamer. Vergleiche mit den europäischen Nachbarstaaten zeigen, welches Potenzial hier noch gegeben ist. Zeitarbeit hat inzwischen auch eine größere gesellschaftliche Akzeptanz erreicht, nicht zuletzt seitdem die Branche Tarifverträge mit den Gewerkschaften abgeschlossen hat. Zeitarbeit ist jetzt bereits zu einem wichtigen Instrument moderner Arbeitsmarktpolitik geworden. Prof. Dr. Dr. Wichard Woyke Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms -Universität zu Münster. Neben dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland (inkl. Parteien- und Wahlforschung) liegt sein Forschungsschwerpunkt in der Europapolitik. Der anerkannte Experte ist Autor einer Vielzahl von Büchern und Aufsätzen. Weitere Informationen unter: http://www.uni-muenster.de/Politikwissenschaft/ DER DREIGETEILTE ARBEITSMARKT Die Wissenschaft betrachtet den Arbeitsmarkt nicht als „Ganzes“, sondern unterscheidet in den ersten, zweiten und dritten Arbeitsmarkt. Die jeweilige Zuordnung orientiert sich an der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der jeweils angebotenen Stellen. ARBEITSMARKT Auf dem 1. Arbeitsmarkt wird die oft so genannte „reguläre Beschäftigung“ angeboten. Es handelt sich hierbei um Stellen, die völlig ohne staatliche Unterstützung aus den wirtschaftlichen Tätigkeiten der jeweiligen Unternehmen finanziert werden, oder aber auf vergleichbarer Basis im öffentlichen Dienst geschaffen worden sind. ARBEITSMARKT Als 2. Arbeitsmarkt werden die staatlicherseits subventionierten Tätigkeiten bezeichnet. Als Beispiele seien hier Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen genannt. Allgemein könnte man alle Arbeitsförderungsprogramme nennen. Maßnahmen des 2. Arbeitsmarktes zielen kurz- bis mittelfristig auf eine Integration in den 1. Arbeitsmarkt. ARBEITSMARKT Der 3. Arbeitsmarkt besteht im Wesentlichen aus sozialen Arbeitsgelegenheiten, die meist von öffentlichen Einrichtungen und Wohlfahrtsverbänden im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung angeboten werden. Maßnahmen des 3. Arbeitsmarktes zielen in den meisten Fällen zunächst einmal auf eine Qualifizierung des Bewerbers für den 2. Arbeitsmarkt hin. FAZIT: Entgegen noch häufig verbreiteten Vorurteilen handelt es sich bei der Zeitarbeit um eine Beschäftigung des 1. Arbeitsmarktes, da reguläre Zeitarbeitsverhältnisse dem wirtschaftlichen Handeln der jeweiligen Unternehmen entspringen und ohne staatliche Bezuschussungen auskommen. Anders sieht dies bei den Personalservice-Agenturen aus, die dem 2. Arbeitsmarkt zuzuordnen sind. Z direkt! Z direkt!

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